Книга: Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке
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XIII

„Die Dame, die Sie immer verstecken”, sagte Frau Zalewski, „brauchen Sie nicht zu verstecken. Sie kann ruhig offen zu Ihnen kommen. Sie gefällt mir – ”

„Sie haben sie ja noch gar nicht gesehen”, erwiderte ich.

„Beruhigen Sie sich nur, ich habe sie gesehen”, erklärte Frau Zalewski mit Nachdruck. „Ich habe sie gesehen und sie gefällt mir – sehr gut sogar, – aber das ist keine Frau für Sie!”

„So?”

„Nein. Ich habe mich schon gewundert, wie Sie die in Ihren Kneipen aufgestöbert haben. Aber natürlich, die verbummeltsten – ”

„Wir kommen vom Thema”, unterbrach ich sie.

„Das”, sagte sie und stemmte die Arme auf die Hüften, „ist eine Frau für einen Mann in guten, sichern Verhältnissen. Für einen reichen Mann, mit einem Wort!”

Rums, dachte ich, da hast du ein Ding weg! Genau das, was dir gefehlt hat. „Das können Sie von jeder Frau behaupten”, erklärte ich gereizt.

Sie schüttelte die grauen Löckchen. „Warten Sie ab! Die Zukunft wird mir recht geben.”

* * *

Ich holte Pat ab. Sie stand in ihrem Zimmer, fertig angezogen, und wartete schon. Es verschlug mir fast den Atem, als ich sie erblickte. Sie trug zum ersten Male, seit ich sie kannte, ein Abendkleid.

Es war ein Kleid aus silbernem Brokat, das von den geraden Schultern schlank und weich herunterfiel. Es schien eng zu sein und war doch so weit, dass es die schönen, langen Schritte Pats nicht hinderte. Vorne war es hochgeschlossen, aber der Rücken war tief in einem spitzen Winkel ausgeschnitten. In der matten, blauen Dämmerung wirkte Pat darin wie eine silberne Fackel, jäh und überraschend verändert, festlich und sehr entfernt.

„Gut, dass ich dich in dem Kleide nicht kennen gelernt habe”, sagte ich. „Nie hätte ich mich an dich herangetraut.”

„Das glaube ich nicht so ohne weiteres, Robby.” Sie lächelte. „Gefällt es dir?”

„Es ist geradezu unheimlich! Du bist eine ganz neue Frau darin.”

„Das ist doch nicht unheimlich. Dazu sind Kleider doch da.”

„Mag sein. Mich schmettert es etwas nieder. Du müsstest dazu einen andern Mann haben. Einen Mann mit viel Geld.”

Sie lachte. „Männer mit viel Geld sind meistens scheußlich, Robby.”

„Aber Geld nicht, was?”

„Nein”, sagte sie, „Geld nicht.”

„Das dachte ich mir.”

„Findest du das denn nicht?”

„Doch”, sagte ich. „Geld macht zwar nicht glücklich, – aber es beruhigt außerordentlich.”

„Es macht unabhängig, Liebling, das ist noch mehr. Aber wenn du willst, kann ich auch ein anderes Kleid anziehen.”

„Ausgeschlossen. Es ist prachtvoll. Von heute ab setze ich die Schneider über die Philosophen! Die Leute bringen Schönheit ins Leben. Das ist hundertmal mehr wert als klaftertiefe Gedanken! Pass auf, ich werde mich noch in dich verlieben!”

Sie lachte.

* * *

Wir fuhren in einem Taxi zum Theater. Ich war unterwegs ziemlich schweigsam, ohne recht zu wissen, warum.

Vor dem Eingang stauten sich die Leute. Es war eine große Premiere, das Theater war mit Scheinwerfern bestrahlt, Auto auf Auto glitt heran, Frauen in Abendkleidern stiegen aus, glitzernd von Schmuck, Männer in Fräcken, mit rosig ausgepolsterten Gesichtern, lachend, fröhlich, überlegen, unbedenklich; – und knarrend und ächzend rumpelte dazwischen die Droschke mit dem müden Chauffeur davon.

„So komm doch, Robby!” rief Pat und sah mich strahlend und aufgeregt an. „Hast du etwas vergessen?”

„Nein – ” sagte ich, „ich habe nichts vergessen.”

Dann ging ich zur Kasse und tauschte die Billetts um. Ich nahm zwei Logenplätze, obschon sie ein Vermögen kosteten. Ich wollte nicht, dass Pat mitten unter diesen sicheren Leuten saß, denen alles selbstverständlich war. Ich wollte nicht, dass sie zu ihnen gehörte. Ich wollte mit ihr allein sein.

Es war lange her, dass ich in einem Theater gewesen war. Ich wäre auch nicht hingegangen, wenn Pat es nicht gewollt hätte. Theater, Konzerte, Bücher, – alle diese bürgerlichen Gewohnheiten hatte ich fast verloren. Es war nicht die Zeit danach.

Die Ränge und das Parkett waren ganz besetzt. Es wurde sofort dunkel, als wir unsere Plätze gefunden hatten.

Ich schob meinen Stuhl in die Ecke der Loge zurück. So brauchte ich weder die Bühne noch die bleichen Köpfe der Zuschauer zu sehen. Ich hörte nur die Musik und sah Pats Gesicht.

Die Musik verzauberte den Raum. Sie war wie Südwind, wie eine warme Nacht, wie ein gebauschtes Segel unter Sternen, ganz und gar unwirklich, diese Musik zu „Hoffmanns Erzählungen”. Sie machte alles weit und farbig, der dunkle Strom des Lebens schien in ihr zu rauschen, es gab keine Schwere mehr, keine Grenzen, es gab nur noch Glanz und Melodie und Liebe und man konnte einfach nicht begreifen, dass draußen Not und Qual und Verzweiflung herrschten, zur gleichen Zeit, wo es diese Musik gab.

Pats Gesicht war geheimnisvoll vom Licht der Bühne beschienen. Sie war ganz hingegeben und ich liebte sie, weil sie sich nicht an mich lehnte und nicht nach meiner Hand griff, ja, mich nicht einmal ansah, sondern gar nicht an mich zu denken und mich ganz vergessen zu haben schien. Nur wer immer wieder allein war, kannte das Glück des Beieinanderseins. Alles andere zerstörte das Geheimnis der Spannung. Und was riss stärker in die magischen Bezirke der Einsamkeit, als der Aufruhr des Gefühls, die Hingabe an eine Erschütterung, die Gewalt der Elemente, der Sturm, die Nacht, die Musik. Und die Liebe —

* * *

Das Licht flammte auf. Ich schloss einen Augenblick die Augen. Woran hatte ich da nur gedacht? Pat wandte sich um. Ich sah, dass die Leute zu den Türen drängten. Es war große Pause.

„Willst du nicht hinausgehen?” fragte ich.

Pat schüttelte den Kopf.

„Gott sei Dank! Ich hasse es, sich da draußen gegenseitig zu beglotzen.”

Ich machte mich auf, um ihr ein Glas Orangensaft zu holen.

Als ich mit meinem Glas in der Loge ankam, stand jemand hinter Pats Stuhl. Sie hatte den Kopf zurückgewendet und sprach lebhaft mit ihm. „Das ist Herr Breuer, Robert”, sagte sie. Robert hatte sie gesagt, nicht Robby. Ich stellte das Glas auf die Brüstung und wartete darauf, dass der Mann ging. Er hatte einen fabelhaft geschnittenen Smoking an. Aber er schwätzte von der Regie und der Besetzung und blieb. Pat wandte sich mir zu. „Herr Breuer hat gefragt, ob wir nachher nicht in die Kaskade gehen wollen.”

„Wenn du gern möchtest”, sagte ich.

Herr Breuer erklärte, man könne vielleicht etwas tanzen. Er war sehr höflich und gefiel mir eigentlich ganz gut. Er hatte nur diese unangenehme Eleganz und Leichtigkeit, von der ich glaubte, dass sie auf Pat wirken müsse, und die ich selbst nicht besaß. Plötzlich, – ich traute meinen Ohren nicht – hörte ich, dass er Pat mit Du ansprach.

Es klingelte. „Also abgemacht, wir treffen uns am Ausgang”, sagte Breuer und ging endlich.

„Was ist das für ein Strolch?” fragte ich.

„Das ist kein Strolch, das ist ein netter Mensch. Ein alter Bekannter.”

„Gegen alte Bekannte habe ich was”, sagte ich.

„Liebling”, erwiderte Pat, „hör lieber zu.”

„Kaskade”, dachte ich und überschlug mein Geld, „verfluchte Neppbude!”

Ich ging in einer finsteren Neugier mit. Dieser Breuer hatte mir zu Frau Zalewskis Unkenrufen noch gefehlt. Er wartete schon auf uns am Eingang.

Ich rief ein Taxi an. „Lassen Sie doch”, sagte Breuer, „mein Wagen hat Platz genug.”

„Gut”, sagte ich.

Pat kannte Breuers Wagen. Es war ein großer Packard. Er stand schräg gegenüber auf dem Park-platz. Sie ging geradewegs darauf zu. „Er ist ja anders lackiert”, sagte sie und blieb vor ihm stehen.

„Ja, grau”, erwiderte Breuer. „Gefällt er dir so besser?”

„Viel besser.”

Wir fuhren zur Kaskade. Das war ein sehr elegantes Tanzlokal mit einer ausgezeichneten Kapelle. „Scheint ganz besetzt zu sein”, sagte ich erfreut, als wir am Eingang standen.

„Schade”, sagte Pat.

„Ach, das machen wir schon”, erklärte Breuer und verhandelte mit dem Geschäftsführer. Er schien hier gut bekannt zu sein, denn tatsächlich bekamen wir einen Tisch herangebracht, ein paar Stühle dazu und ein paar Minuten später saßen wir an der besten Stelle des ganzen Raumes, von der man die Tanzfläche voll übersehen konnte.

„Ach, ich habe schon lange nicht getanzt.”

Breuer stand auf. „Wollen wir?”

Sie sah mich strahlend an. „Ich werde inzwischen was bestellen”, sagte ich.

„Gut.”

Der Tango dauerte lange. Pat sah beim Tanzen ab und zu herüber und lächelte mir zu. Ich nickte zurück, fühlte mich aber nicht besonders. Sie sah wunderbar aus und tanzte großartig. Ich bestellte mir einen großen Rum. Die beiden kamen zurück. Breuer begrüßte ein paar Leute und ich war einen Augenblick mit Pat allein.

„Wie lange kennst du den Knaben schon?” fragte ich.

„Schon lange. Warum?”

„Ach, nur so. Warst du oft mit ihm hier?”

Sie sah mich an. „Ich weiß es nicht mehr, Robby.”

„Das weiß man doch”, sagte ich hartnäckig, obschon ich wusste, was sie damit meinte.

Sie schüttelte den Kopf und lächelte. Ich liebte sie sehr in diesem Augenblick. Sie wollte mir zeigen, dass alles vergessen sei, was gewesen war. Aber in mir bohrte etwas, das ich selbst lächerlich fand und das ich trotzdem nicht los wurde. Ich stellte mein Glas auf den Tisch. „Kannst es ruhig sagen. Ist ja nichts dabei.”

Sie sah mich wieder an. „Glaubst du, dass wir sonst hier wären?” fragte sie.

„Nein”, sagte ich beschämt.

Die Kapelle begann wieder zu spielen. Breuer kam heran. „Ein Blues”, sagte er zu mir. „Wunderbar.

Wollen Sie ihn nicht tanzen?”

„Nein!” erwiderte ich.

„Schade.”

„Du solltest es einmal versuchen, Robby”, sagte Pat.

„Lieber nicht.”

„Aber warum denn nicht?” fragte Breuer.

„Ich mache mir nichts draus”, erwiderte ich unfreundlich. „Habe es auch nie gelernt. Keine Zeit dafür gehabt. Aber tanzen Sie doch ruhig, ich unterhalte mich hier schon.”

Pat zögerte. „Aber, Pat – ” sagte ich, „es macht dir doch soviel Spaß.”

„Das schon – aber unterhältst du dich auch wirklich?”

„Und wie!” Ich zeigte auf mein Glas. „Das ist auch eine Art von Tanzen.”

Sie gingen.

Breuer brachte ein paar Leute mit an den Tisch. Zwei hübsche Frauen und einen jüngeren Mann, der einen ganz kahlen, kleinen Kopf hatte. Nachher kam noch ein vierter dazu. Alle leicht wie Kork, geschmeidig und sicher. Pat kannte sie alle vier.

Ich fühlte mich schwer wie ein Klotz. Bisher war ich mit Pat immer allein gewesen. Zum ersten Male sah ich jetzt Leute, die sie von früher her kannte. Ich konnte nichts mit ihnen anfangen. Sie bewegten sich leicht und ungezwungen, sie kamen aus einem Leben, in dem alles glatt ging, in dem man nichts sah, was man nicht sehen wollte, sie kamen aus einer anderen Welt. Wäre ich allein dagewesen, oder mit Lenz oder Köster, ich hätte mich gar nicht darum gekümmert und es wäre mir egal gewesen. Aber Pat war dabei, Pat kannte sie und dadurch wurde alles schief, es legte mich lahm und zwang mich zu vergleichen.

Breuer schlug vor, in ein anderes Lokal zu gehen. „Robby”, sagte Pat im Hinausgehen, „wollen wir nicht lieber nach Hause gehen?”

„Nein”, sagte ich, „wozu?”

„Es ist doch langweilig für dich.”

„Nicht die Spur. Warum sollte es langweilig sein? Im Gegenteil! Und dir macht es doch Spaß.”

Sie sah mich an, sagte aber nichts.

* * *

Wir gingen noch in ein paar andere Lokale. Breuer war erhitzt, redselig und hoffnungsvoll. Pat war stiller geworden. Sie fragte mich nicht, sie machte mir keine Vorwürfe, sie versuchte nichts aufzuklären, sie war einfach da, manchmal tanzte sie, dann schien es, als glitte sie durch einen Schwarm von Marionetten und Karikaturen wie ein stilles, schönes, schmales Schiff, und manchmal lächelte sie mir zu.

„Wir wollen einmal miteinander tanzen”, sagte Pat zu mir.

„Nein”, sagte ich und dachte an die Hände, die sie heute schon berührt hatten, „nein” und fühlte mich ziemlich lächerlich und elend.

„Doch”, sagte sie und ihre Augen wurden dunkel. „Nein”, erwiderte ich, „nein, Pat.”

Dann gingen wir endlich. „Ich fahre Sie nach Hause”, sagte Breuer zu mir.

„Gut.”

Er hatte eine Decke im Wagen, die er Pat über die Knie legte. Sie sah auf einmal sehr blass und müde aus. Breuer fuhr zuerst zu ihr. Er wusste ihre Wohnung, ohne zu fragen. Sie stieg aus. Breuer küsste ihr die Hand. „Gute Nacht”, sagte ich und sah sie nicht an.

„Wo kann ich Sie absetzen?” fragte Breuer mich.

„An der nächsten Ecke”, sagte ich.

Ich verabschiedete mich freundlicher von ihm als von Pat.

* * *

In der Bar war es noch ziemlich voll. Lenz und Ferdinand Grau pokerten mit dem Konfektionär Bollwies und ein paar anderen. „Setz dich ran”, sagte Gottfried, „heute ist Pokerwetter.”

„Nein”, erwiderte ich.

Ich hatte nicht lange bleiben wollen. Doch jetzt spürte ich etwas Boden unter den Füßen. Es ging mir nicht besonders; aber hier war die alte, ehrliche Heimat. „Stell mir eine halbe Flasche Rum her”, rief ich Fred zu.

„Tu mal Portwein rein”, sagte Lenz.

„Nein”, erwiderte ich. „Hab keine Zeit für Experimente. Will mich besaufen.”

„Dann nimm süße Liköre. Krach gehabt?”

„Unsinn.”

„Red nicht, Baby. Quatsch deinem alten Vater Lenz nichts vor, der in den Schluchten des Herzens zu Hause ist. Sag ja und sauf.”

„Mit einer Frau kann man keinen Krach haben. Man kann sich höchstens über sie ärgern.”

„Das sind zu feine Unterschiede für drei Uhr nachts. Ich habe übrigens mit jeder Krach gehabt. Wenn man keinen Krach mehr hat, ists bald aus.”

„Kannst du tanzen, Gottfried?” fragte ich.

„Natürlich. Ich war doch mal Tanzlehrer. Hast du das schon vergessen?”

„Vergessen – lass ihn doch vergessen”, sagte Ferdinand Grau.

„Vergessen ist das Geheimnis ewiger Jugend. Man altert nur durch das Gedächtnis. Es wird viel zu wenig vergessen.”

„Nein”, sagte Lenz. „Es wird nur immer das Falsche vergessen.”

„Kannst du mir’s beibringen?” fragte ich.

„Tanzen? An einem Abend, Baby. Ist das dein ganzer Kummer?”

„Hab keinen Kummer”, sagte ich, „Kopfschmerzen.”

„Die Krankheit unserer Zeit, Robby”, sagte Ferdinand. „Am besten wäre es, ohne Kopf geboren zu werden.”

* * *

Ich ging nach Hause.

Langsam ging ich die Treppe hinauf und suchte in der Tasche nach meinem Schlüssel. Da hörte ich im Halbdunkel jemand atmen. Etwas Bleiches, Undeutliches hockte auf der oberen Treppenstufe. Ich machte zwei Schritte. „Pat – ” sagte ich verständnislos – „Pat – was machst du denn hier?”

Sie bewegte sich. „Ich glaube, ich habe etwas geschlafen – ”

„Ja, aber wie kommst du denn hierher?”

„Ich habe doch deinen Hausschlüssel – ”

„Das meine ich nicht. Ich meine – ” Die Trunkenheit wich, ich sah die abgetretenen Stufen der Treppe, die abgeblätterte Wand und das silberne Kleid, die schmalen, leuchtenden Schuhe – „ich meine, dass du überhaupt hier bist – ”

„Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit – ”

Sie stand auf und dehnte sich, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, dass sie in der späten Nacht hier auf der Treppe gesessen hätte. Dann schnupperte sie. „Lenz würde jetzt sagen – Kognak, Rum, Kirsch, Absinth – ”

„Gottverdammt, du bist ein großartiges Mädchen, Pat und ich bin ein scheußlicher Idiot!”

Ich nahm sie mit einem Ruck hoch, schloss die Tür auf und trug sie durch den Korridor. Sie lag an meiner Brust, ein silberner Reiher, ein müder Vogel, ich wandte den Kopf zur Seite, damit sie meinen Schnapsatem nicht spürte, und ich fühlte, dass sie zitterte, obwohl sie lächelte.

Ich setzte sie in einen Sessel, machte Licht und holte eine Decke.

„Weshalb bist du denn nicht zurückgekommen, als du mich nach Hause gebracht hattest?”

„Ja, das möchte ich auch wissen – ”

„Es ist besser, wenn du mir nächstens den Wohnungsschlüssel auch noch gibst”, sagte sie, „dann brauche ich nicht draußen zu warten.”

„Pat”, sagte ich rasch, völlig verwirrt, „Pat, du frierst sicher, du musst was trinken, ich habe bei dem Orlow draußen Licht gesehen, ich gehe rasch mal hin, diese Russen haben immer Tee, ich bin sofort zurück – ”

Orlow war noch auf. Er saß vor seinem Muttergottesbild in der Ecke des Zimmers, vor dem ein Lämpchen brannte, seine Augen waren rot und auf dem Tisch dampfte ein kleiner Samowar.

„Bitte, entschuldigen Sie”, sagte ich, „ein unvorhergesehener Zufall – können Sie mir etwas heißen Tee geben?”

Russen sind an Zufälle gewöhnt. Er gab mir zwei Gläser, Zucker und füllte einen Teller mit kleinen Kuchen. „Ich bin Ihnen sehr gern behilflich”, sagte er, „darf ich Ihnen auch – ich war oft in ähnlicher – ein paar Kaffeebohnen – zum Kauen – ”

„Danke”, sagte ich, „ich danke Ihnen. Ich nehme sie gern – ”

Ich zermalmte die Kaffeebohnen auf dem Korridor im Munde, sie nahmen den Schnapsgeruch weg. Pat saß neben der Lampe und puderte sich.

„Trink ein bisschen Tee”, sagte ich, „er ist ganz heiß.”

Sie nahm die Tasse. Ich sah zu, wie sie trank. „Weiß der Teufel, was heute abend los war, Pat.”

„Ich weiß es schon”, erwiderte sie.

„So? Ich nicht.”

„Ist auch nicht nötig, Robby. Du weißt sowieso schon ein bisschen zu viel, um richtig glücklich zu sein.”

Sie stellte die Tasse auf den Tisch. Ich lehnte am Bett. Ich hatte ein Gefühl, als wenn ich von einer langen, schwierigen Reise nach Hause gekommen wäre.

* * *

Die Vögel begannen zu zwitschern. Draußen klappte eine Tür. Pat schlief noch. Sie atmete tief und regelmäßig. Es war eine Schande, sie zu wecken. Aber es musste sein. „Pat – ”

Sie murmelte etwas im Schlaf. „Pat – ” ich verfluchte alle möblierten Zimmer der Welt – „Pat, es wird Zeit. Wir müssen dich anziehen.” Sie schlug die Augen auf und lächelte, noch ganz warm vom Schlaf, wie ein Kind. Ich war immer wieder überrascht über diese Heiterkeit beim Erwachen und liebte das sehr an ihr. Ich war nie heiter, wenn ich erwachte.

„Ich bleibe heute bei dir – ”

„Hier?”

„Ja – ”

Ich richtete mich auf. „Glänzende Idee – aber deine Sachen – das sind doch Schuhe und Kleider für abends – ”

„Dann bleibe ich eben bis abends – ”

„Und zuhause?”

„Da, telefonieren wir, dass ich irgendwo über Nacht geblieben bin.”

„Das werden wir schon machen. Hast du Hunger?”

„Noch nicht.”

„Auf alle Fälle werde ich mal rasch ein paar frische Brötchen klauen. Die hängen draußen an der Korridortür. Jetzt ists grade noch Zeit dafür.”

Als ich zurückkam, stand Pat am Fenster. Sie trug nur ihre silbernen Schuhe. Das weiche Licht des frühen Tages fiel wie ein Schleier über ihre Schultern. „Das von gestern haben wir vergessen, was, Pat?” sagte ich.

Sie nickte, ohne sich umzudrehen.

„Wir werden einfach nicht mehr mit anderen Leuten zusammen sein. Richtige Liebe verträgt keine Leute. Dann kriegen wir auch keinen Krach und keine Eifersuchtsanfälle. Dieser Breuer und die ganze Gesellschaft soll zum Teufel gehen, was?”

„Ja”, sagte sie, „und die Markowitz auch.”

„Markowitz? Wer ist denn das?”

„Die, mit der du an der Bar gesessen hast in der Kaskade.”

„Aha”, sagte ich, plötzlich ziemlich vergnügt, „aha, die.”

Die Sonne ging hinter den Dächern des Gewerkschaftshauses auf. Die Fenster begannen zu blitzen. Pats Haar war voll Licht und ihre Schultern waren golden. „Was sagtest du eigentlich, was macht dieser Breuer? Als Beruf, meine ich?”

„Architekt.”

„Architekt”, sagte ich etwas betroffen, denn ich hätte lieber gehört, er wäre gar nichts, „na, Architekt, was ist das schon, was, Pat?”

„Ja, Liebling.”

„Nichts Besonderes, wie?”

„Gar nichts”, sagte Pat überzeugt und drehte sich um und lachte, „gar nichts ist das, überhaupt nichts. Ein Dreck ist es!”

„Und diese Bude, die ist nicht zu jämmerlich, was, Pat? Andere Leute haben natürlich bess – ”

„Sie ist wunderbar, diese Bude”, unterbrach mich Pat, „es ist eine ganz herrliche Bude, ich weiß wirklich keine schönere, Liebling!”

„Und ich, Pat, ich hab ja meine Fehler und bin nur ein Taxifahrer, aber – ”

„Du bist ein ganz Geliebter, ein Brötchenklauer und Rumsäufer, ein Liebling bist du!”

Mit einem Schwung warf sie sich mir an den Hals. „Ach, du Dummer, wie schön ist es, zu leben!”

„Nur mit dir, Pat. Wahrhaftig!”

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