Книга: Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке
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XXVI

Ich kam aus dem Zimmer des Chefarztes, Köster wartete auf mich in der Halle. Er stand auf, als er mich sah. Wir gingen nach draußen und setzten uns auf eine Bank vor dem Sanatorium. „Es ist schlimm, Otto”, sagte ich. „Schlimmer, als ich fürchtete.”

Eine Gruppe Skiläufer zog lärmend dicht an uns vorüber. Ein paar mit Öl eingeschmierte Frauen mit kräftigen, sonnverbrannten Gesichtern und breiten, weißen Gebissen waren dabei. Sie schrien einander zu, dass sie Hunger wie die Wölfe hätten. Wir warteten, bis sie vorbei waren. „So was lebt natürlich”, sagte ich. „Lebt und ist gesund bis in die Knochen. Zum Kotzen!”

„Hast du mit dem Chefarzt selbst gesprochen?” fragte Köster.

„Ja. Er hat mir alles sehr verklausuliert erklärt, mit vielen Einschränkungen. Aber das Ergebnis ist, dass es schlechter geworden ist. Er behauptet zwar, es sei besser geworden.”

„Das verstehe ich nicht.”

„Er behauptet, wenn sie unten geblieben wäre, würde längst alle Hoffnung verloren sein. Hier ist es langsamer gegangen. Das nennt er dann besser werden.”

Köster zog mit den Absätzen seiner Schuhe Striche in den harten Schnee. Dann hob er den Kopf. „Er hat also Hoffnung?”

„Ein Arzt hat immer Hoffnung, das gehört zu seinem Beruf. Aber ich habe verdammt wenig mehr. Ich fragte ihn, ob er einen Pneumothorax gemacht hätte. Er sagte, das ginge nicht mehr. Sie hätte vor Jahren schon einen gehabt. Jetzt seien beide Lungen krank. Es ist verflucht, Otto.”

„Was hat er sonst noch gesagt?” fragte Köster.

„Er hat mir erklärt, woher es wahrscheinlich käme. Er hätte schon viele Patienten im gleichen Alter gehabt. Es seien Folgen des Krieges. Unterernährung in den Entwicklungsjahren. Aber was geht mich das alles an. Sie soll gesund werden.” Ich sah ihn an. „Natürlich hat er mir gesagt, dass er oft genug Wunder erlebt hätte. Gerade bei dieser Krankheit käme es vor, dass sie plötzlich stehen bliebe, verkapselte und ausheilte, sogar in verzweifelten Fällen. Das hat Jaffé auch gesagt. Aber ich glaube nicht an Wunder.”

Köster antwortete nicht. Wir blieben schweigend nebeneinander sitzen. Was sollten wir auch sagen? Wir hatten beide zu viel mitgemacht, als dass wir mit Trost etwas hätten anfangen können.

„Sie darf nichts merken, Robby”, sagte Köster schließlich.

„Natürlich nicht”, erwiderte ich.

Wir blieben sitzen, bis Pat kam. Ich dachte nichts; ich war nicht einmal verzweifelt, ich war ganz dumpf und grau und tot.

„Da ist sie”, sagte Köster.

„Ja”, sagte ich und stand auf.

„Hallo!” Pat kam heran und winkte. Sie taumelte etwas und lachte. „Ich bin ein bisschen betrunken. Von der Sonne. Immer, wenn ich in der Sonne gelegen habe, schwanke ich wie ein alter Seemann.”

Ich sah sie an und mit einem Schlage war alles anders. Ich glaubte dem Arzt nicht mehr; ich glaubte an das Wunder. Sie war da; sie lebte; sie stand da und lachte, – alles andere versank davor.

Sie lachte. „Ich habe heute einen guten Tag. Ohne Fieber. Ich darf raus. Wollen wir ins Dorf gehen und einen Aperitif trinken?”

„Natürlich.”

„Also los!”

„Wollen wir nicht lieber einen Schlitten nehmen?” fragte Köster.

„Ich halte es schon aus”, sagte Pat.

„Das weiß ich”, sagte Köster. „Aber ich bin noch nie in so einem Ding gefahren. Ich möchte es mal versuchen.”

Wir winkten einen Kutscher heran und fuhren die Serpentinen hinab ins Dorf. Vor einem Cafe, das eine kleine, sonnige Terrasse hatte, hielten wir und stiegen aus. Es saßen viele Leute da und ich erkannte einige aus dem Sanatorium. Der Italiener aus der Bar war auch dabei. Er wurde Antonio gerufen und kam an unsern Tisch, um Pat zu begrüßen. Er erzählte, dass ein paar Spaßvögel in der vergangenen Nacht einen Patienten, während er schlief, mitsamt dem Bett aus seinem Zimmer gerollt und in das Zimmer einer uralten Lehrerin geschoben hätten.

„Weshalb haben sie denn das gemacht?” fragte ich.

„Er ist geheilt und fährt in den nächsten Tagen ab”, erwiderte Antonio. „Da werden immer solche Streiche gemacht.”

„Das ist der berühmte Galgenhumor der Zurückbleibenden, Liebling”, sagte Pat.

„Hier oben wird man kindisch”, meinte Antonio entschuldigend.

Geheilt, dachte ich, einer ist geheilt und fährt zurück. „Was willst du trinken, Pat?” fragte ich.

„Einen Martini. Einen trockenen Martini.”

Ein Radio begann zu spielen. Wiener Walzer. Sie wehten durch die warme, sonnige Luft wie leichte, helle Fahnen. Der Kellner brachte die Martinis. Sie waren sehr kalt und perlten noch, während die Sonne hineinschien. „Schön, so zu sitzen, wie?” fragte Pat.

„Herrlich”, erwiderte ich.

„Aber manchmal ist es nicht zum Aushalten”, sagte sie.

* * *

Wir blieben zum Essen unten. Pat wollte es gern. Sie hatte in der letzten Zeit immer im Sanatorium bleiben müssen und dieses war ihr erster Ausgang; da meinte sie, sie fühle sich doppelt so gesund, wenn sie einmal im Dorf essen könne. Antonio aß mit uns. Nachher fuhren wir wieder hinauf und Pat ging in ihr Zimmer, weil sie zwei Stunden liegen musste. Köster und ich holten Karl aus der Garage und sahen ihn nach. Wir mussten zwei gebrochene Federblätter auswechseln. Der Garagenmeister hatte Werkzeug da und wir machten uns an die Arbeit, Dann füllten wir Öl nach und schmierten das Chassis durch.

Pat kam hinzu. Sie sah warm und ausgeschlafen aus. Ihr Hund tobte um sie herum. „Billy!” rief ich. Er stutzte, aber er war nicht übermäßig freundlich. Er kannte mich nicht wieder und wurde ganz verlegen, als Pat ihn auf mich aufmerksam machte. „So geht’s”, sagte ich. „Gottlob, dass die Menschen ein besseres Gedächtnis haben. Wo war er denn gestern?”

Pat lachte. „Er hat die ganze Zeit unterm Bett gelegen. Er ist eifersüchtig, wenn ich Besuch bekomme, und zieht sich dann ärgerlich zurück.”

„Du siehst wunderbar aus”, sagte ich.

Sie blickte mich glücklich an. Dann trat sie an Karl heran. „Ich möchte mal wieder drinsitzen und ein kleines Stück fahren”.

„Natürlich”, sagte ich, „was, Otto?”

„Selbstverständlich. Sie haben ja einen dicken Mantel an und hier sind noch Schals und Decken genug.”

Pat setzte sich nach vorn, hinter die Windschutzscheibe, neben Köster. Karl brüllte auf.

Wir kamen aus dem Dorf heraus. Es war später Nachmittag und die Schneefelder schimmerten rötlich, überhaucht von der tiefen Sonne. Ein paar Heuschober am Hang lagen fast begraben im Weiß. Wie schmale Kommas schwangen die letzten Skiläufer zu Tal. Sie passierten dabei die rote Sonne, die mächtig noch einmal hinter dem Hang hervorkam, ein Ball düsterer Glut.

„Seid ihr gestern hier entlang gekommen?” fragte Pat.

„Ja.”

„So weit vom Dorf war ich noch nie”, sagte Pat. „Ist das die Straße nach Hause?”

„Ja.”

Sie schwieg und sah hinunter. Dann stieg sie aus und hielt die Hand schützend vor die Augen. So starrte sie nach Norden, als könne sie schon die Türme der Stadt sehen. „Wie weit ist es?” fragte sie.

„So an tausend Kilometer. Im Mai fahren wir hinunter. Dann holt Otto uns ab.”

„Im Mai”, wiederholte sie. „Mein Gott, im Mai.”

Die Sonne versank langsam. Das Tal wurde lebendig; die Schatten, die bisher starr in den Bodenfalten gehockt hatten, begannen lautlos hervorzuhuschen und höher zu klettern wie blaue Riesenspinnen. Es wurde kühl.

„Wir müssen zurück, Pat”, sagte ich.

Sie blickte auf und ihr Gesicht war plötzlich wie zerfallen vor Schmerz. Ich sah auf einmal, dass sie alles wusste. Sie wusste, dass sie nie mehr über diese gnadenlose Bergkette am Horizont hinwegkommen würde, sie wusste es und wollte es verbergen, so wie wir es vor ihr verbergen wollten, aber einen Augenblick lang verlor sie die Fassung und aller Jammer der Welt brach aus ihren Augen. „Lasst uns noch ein Stück hinunterfahren”, sagte sie. „Nur ein ganz kleines Stück abwärts.”

„Komm”, erwiderte ich, nachdem ich Köster angesehen hatte. Sie stieg zu mir hinten in den Wagen, ich bettete sie in meinen Arm und zog die Decke über uns beide. Der Wagen begann langsam bergab zu fahren, in das Tal und in die Schatten.

„Robby, Liebling”, flüsterte Pat an meiner Schulter, „jetzt ist es, als ob wir nach Hause führen, zurück in unser Leben – ”

„Ja”, sagte ich und zog die Decke bis an ihr Haar. Es wurde rasch dunkler, je tiefer wir kamen. Pat lag ganz unter den Decken. Sie schob ihre Hand auf meine Brust, unter das Hemd, ich fühlte ihre Hand auf meiner Haut, und dann ihren Atem, ihre Lippen und dann ihre Tränen.

Vorsichtig, damit sie die Kurve nicht merkte, drehte Köster auf dem Marktplatz des nächsten Dorfes den Wagen in einer langen Schleife und fuhr langsam zurück.

Die Sonne war verschwunden, als wir die Höhe wieder überfuhren, und im Osten stand schon blass und klar zwischen aufsteigenden Wolken der Mond. Wir fuhren zurück, die Ketten malmten über den Boden mit monotonem Geräusch, es wurde sehr still, ich saß reglos und rührte mich nicht und fühlte die Tränen Pats auf meinem Herzen, als blute dort eine Wunde.

* * *

Eine Stunde später saß ich in der Halle. Pat war in ihrem Zimmer und Köster war zur Wetterstelle gegangen, um sich zu erkundigen, ob es Schnee gäbe. Es war draußen dunstig geworden, der Mond hatte jetzt einen Hof und weich und grau wie Samt stand der Abend vor den Fenstern. Nach einer Weile kam Antonio und setzte sich zu mir.

Ein Trupp junger Leute lief kichernd durch die Halle. Antonio lachte.

„Die kommen von der Post. Sie haben an Roth ein Telegramm geschickt.”

„Wer ist Roth?”

„Das ist der, der nächstens abreist. Sie haben ihm telegraphiert, er dürfe wegen einer Grippeepidemie in seiner Heimat nicht abfahren und müsse noch hierbleiben. Das sind so übliche Scherze. Weil sie selbst hierbleiben müssen, verstehen Sie?”

Ich schaute durch das Fenster auf den grauen Samt der verhangenen Berge. Das ist ja alles nicht wahr, dachte ich, das ist ja alles keine Wirklichkeit, so geht das doch nicht. Das ist doch nur eine Bühne hier, auf der ein bisschen Tod gespielt wird. Wenn man stirbt, das ist doch furchtbarer Ernst. So kann man doch nicht sterben, mit etwas Fieber und rauhem Atem, dazu gehören doch Schüsse und Wunden, so kenne ich es doch – ”

„Sind Sie auch krank?” fragte ich Antonio.

„Natürlich”, sagte er lächelnd.

Köster kam von der Wetterdienststelle zurück. „Ich muss fahren, Robby”, sagte er. „Das Barometer ist gefallen und wahrscheinlich gibt es diese Nacht Schnee. Dann komme ich morgen nicht mehr durch. Heute abend gehts grade noch.

„Gut. Essen wir noch mitsammen?”

„Ja. Ich packe jetzt rasch.”

„Ich komme mit”, sagte ich.

Wir packten Kösters Sachen zusammen und brachten sie zur Garage hinunter. Dann gingen wir zurück, um Pat zu holen.

„Wenn irgendwas ist, ruf mich an, Robby”, sagte Otto.

Ich nickte.

„Das Geld hast du in wenigen Tagen hier. Genug für einige Zeit. Tu alles, was nötig ist.”

„Ja, Otto.” Ich zögerte. „Wir haben doch noch ein paar Ampullen Morphium zu Hause. Kannst du mir die schicken?”

Er sah mich an. „Wozu willst du sie haben?”

„Ich weiß nicht, wie das hier wird. Vielleicht ist es nicht nötig. Ich habe immer noch so eine Hoffnung, trotz allem. Immer, wenn ich sie sehe. Wenn ich allein bin, nicht. Aber ich möchte nicht, dass sie leidet, Otto. Dass sie so herumliegt und dass nichts mehr da ist, als Schmerzen. Vielleicht geben sie es ihr hier dann auch so. Aber es ist mir eine Beruhigung, zu wissen, dass ich ihr helfen kann.”

„Nur das, Robby?” fragte Köster.

„Nur das, Otto. Bestimmt. Sonst würde ich es dir nicht sagen.”

Er nickte. „Wir sind nur noch zwei”, sagte er langsam.

„Ja.”

„Gut, Robby.”

Wir gingen in die Halle und ich holte Pat herunter. Dann aßen wir rasch, denn es bezog sich immer mehr. Köster fuhr Karl aus der Garage zum Portal vor. „Machs gut, Robby”, sagte er.

„Du auch, Otto.”

„Auf Wiedersehen, Pat.” Er gab ihr die Hand und sah sie an. „Im Frühjahr komme ich Sie holen.”

„Leben Sie wohl, Köster.” Pat hielt seine Hand fest. „Ich freue mich so, Sie noch gesehen zu haben. Grüßen Sie auch Gottfried Lenz von mir.”

„Ja”, sagte Köster.

Sie hielt immer noch seine Hand. Ihre Lippen zitterten. Und plötzlich machte sie einen Schritt vor und küsste ihn. „Leben Sie wohl”, murmelte sie mit erstickter Stimme.

Kösters Gesicht war auf einmal von einer hellroten Flamme durchflogen. Er wollte noch etwas sagen, aber er wandte sich ab, stieg in den Wagen, fuhr in einem Sprung an und jagte die Serpentinen herunter, ohne umzusehen. Wir sahen ihm nach. Dann verschwand er und wir hörten noch lange das immer schwächer werdende Summen der Maschine.

* * *

Pat stand vorgebeugt und lauschte, solange noch etwas zu vernehmen war. Dann wandte sie sich mir zu. „Jetzt ist das letzte Schiff abgefahren, Robby.”

„Das zweitletzte”, erwiderte ich. „Das letzte bin ich. Und weißt du, was ich vorhabe? Ich will mir einen andern Ankerplatz suchen. Das Zimmer in der Dependance gefällt mir nicht mehr. Ich sehe nicht ein, weshalb wir nicht zusammenwohnen können. Werde mal versuchen, ein Zimmer in deiner Nähe zu bekommen.”

Sie lächelte. „Ausgeschlossen! Kriegst du nicht! Wie willst du das machen?”

„Freust du dich, wenn ich es schaffe?”

„Was für eine Frage! Es wäre herrlich, Liebling. Fast wie bei Mutter Zalewski!”

„Gut, dann lass mich mal jetzt eine halbe Stunde arbeiten!”

„Schön. Ich spiele so lange mit Antonio Schach. Das habe ich hier gelernt.”

Ich ging ins Büro und erklärte, dass ich längere Zeit bliebe und ein Zimmer in Pats Etage haben möchte. Eine ältere Dame ohne Busen sah mich indigniert an und lehnte meinen Wunsch auf Grund der Hausordnung ab.

„Wer hat die Hausordnung gemacht?” fragte ich.

„Die Direktion”, gab die Dame zurück und strich die Falten ihres Kleides glatt.

Ziemlich widerwillig teilte sie mir schließlich mit, dass der Chefarzt über Ausnahmen zu entscheiden habe. „Er ist aber nicht mehr da”, fügte sie hinzu. „Und abends darf er nur dienstlich zu Hause gestört werden.”

„Schön”, sagte ich, „dann werde ich ihn mal dienstlich stören. In Sachen der Hausordnung.”

Der Chefarzt wohnte in einem kleinen Hause neben dem Sanatorium. Er empfing mich gleich und gab mir sofort die Erlaubnis. „So leicht habe ich mir das nach dem Anfang nicht vorgestellt”, sagte ich.

Er lachte. „Aha, die alte Rexroth hat Sie wohl erwischt? Na, ich werde gleich mal telefonieren.”

Ich ging zurück ins Büro. Die alte Rexroth verschwand würdig, als sie mein herausforderndes Gesicht erblickte. Ich regelte alles mit der Sekretärin und gab dem Hausknecht Auftrag, mein Gepäck herüber zu schaffen und mir ein paar Flaschen zu trinken zu besorgen. Dann ging ich zu Pat in die Halle.

„Hast dus geschafft?” fragte sie.

„Noch nicht, aber in ein paar Tagen werde ichs schon erreichen.”

„Schade.” Sie warf die Schachfiguren um und stand auf.

„Was wollen wir machen?” fragte ich. „In die Bar gehen?”

„Wir spielen abends oft Karten”, sagte Antonio. „Es gibt Föhn, das spürt man. Da ist Kartenspielen das bequemste.”

„Kartenspielen? Pat?” fragte ich verwundert. „Was kannst du denn für Kartenspiele? Schwarzer Peter und Patience, was?”

„Poker, Liebling”, erklärte Pat.

Ich lachte. „Tatsächlich, sie kann es”, sagte Antonio. „Sie ist nur zu waghalsig. Sie blufft furchtbar.”

„Ich auch”, erwiderte ich. „Das müssen wir doch mal versuchen.”

Wir setzten uns in eine Ecke und begannen zu spielen. Pat pokerte gar nicht schlecht. Sie bluffte wirklich, dass die Fetzen flogen. Nach einer Stunde zeigte Antonio auf die Landschaft draußen vor dem Fenster. Es schneite. Langsam, als zögerten sie noch, fielen die dicken Flocken fast senkrecht herunter.

„Es ist ganz windstill”, sagte Antonio. „Das gibt viel Schnee.”

„Wo mag Köster jetzt sein?” fragte Pat.

„Er ist schon über den Hauptpass weg”, sagte ich. Einen Augenblick sah ich Karl ganz deutlich vor mir, wie er mit Köster durch die weiße Nacht zog, und alles kam mir plötzlich etwas unwirklich vor, – dass ich hier saß, dass Köster unterwegs war und dass Pat da war. Sie lächelte mich glücklich an, die Hand mit den Karten auf den Tisch gestemmt. „Los, Robby!”

Wir gingen noch in die Bar und tranken ein paar Spezial. Dann musste Pat schlafen. Ich verabschiedete mich in der Halle von ihr. Sie schritt langsam die Treppe hinauf und sah sich um und blieb stehen, bevor sie in den Korridor einbog. Ich wartete etwas, dann ließ ich mir im Büro meinen Zimmerschlüssel geben. Die kleine Sekretärin lächelte. „Nummer achtundsiebzig”, sagte sie.

Es war das Zimmer neben Pat. „Auf Veranlassung von Fräulein Rexroth etwa?” fragte ich.

„Nein, Fräulein Rexroth ist im Missionshaus”, erwiderte sie.

„Missionshäuser sind manchmal ein Segen”, sagte ich und ging rasch hinauf. Meine Sachen waren schon ausgepackt. Eine halbe Stunde später klopfte ich an die Verbindungstür zwischen den beiden Zimmern. „Wer ist da?” rief Pat.

„Die Sittenpolizei”, erwiderte ich.

Der Schlüssel knirschte und die Tür flog auf. „Du, Robby?” stammelte Pat fassungslos.

„Ich!” sagte ich. „Der Besieger von Fräulein Rexroth! Der Kognak- und Porto-Roncobesitzer!” Ich zog die Flaschen aus den Taschen meines Bademantels. „Und nun sag mir sofort, wieviel Männer hier schon gewesen sind.”

„Niemand, außer dem Fußballklub und dem verstärkten philharmonischen Orchester”, erklärte Pat lachend. „Ach, Liebling, jetzt sind die alten Zeiten wieder da!”

Sie schlief an meiner Schulter ein. Ich blieb noch lange wach. In einer Ecke des Zimmers brannte eine kleine Lampe. Die Schneeflocken klopften leise gegen das Fenster und die Zeit schien stille zu stehen in dieser matten, braungoldenen Dämmerung.

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