Книга: Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке
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XXII

Eine Woche später fuhr ich zurück. Vom Bahnhof ging ich gleich zur Werkstatt. Es war Abend, als ich ankam, es regnete immer noch und mir schien, als wäre es ein Jahr her, seit ich mit Pat abgefahren war.

Köster und Lenz saßen im Büro. „Du kommst gerade recht”, sagte Gottfried.

„Was ist denn los?” fragte ich.

„Lass ihn erst mal reinkommen”, sagte Köster.

Ich setzte mich zu ihnen. „Wie geht es Pat?” fragte Otto.

„Gut. So gut es eben kann. Aber nun sagt mir schon, was hier los ist.”

Es handelte sich um den Stutz. Wir hatten ihn re-pariert und vor vierzehn Tagen abgeliefert. Nun war Köster gestern hingegangen, um das Geld abzuholen. Inzwischen aber hatte der Mann, dem der Wagen gehörte, Pleite gemacht und der Wagen war in die Konkursmasse gekommen.

„Das ist doch nicht schlimm”, sagte ich. „Wir haben ja nur mit der Versicherung zu tun.”

„Haben wir auch gedacht”, erklärte Lenz trocken. „Der Wagen ist aber nicht versichert.”

„Verdammt! Ist das wahr, Otto?”

Köster nickte. „Habe es heute erst erfahren.”

„Wer kann so was ahnen!” sagte ich.

Lenz fing an zu lachen. „Es ist zu blödsinnig!”

„Was machen wir nun, Otto?” fragte ich.

„Ich habe unsere Forderung beim Konkursverwalter angemeldet. Aber ich fürchte, es wird nicht viel dabei herauskommen.”

„Wir machen die Bude zu, das wird dabei herauskommen”, sagte Gottfried. „Das Finanzamt ist auch schon rebellisch wegen der Steuern.”

„Möglich”, gab Köster zu.

Lenz erhob sich. „Gleichmut und gute Haltung in schwierigen Situationen zieren den Soldaten.” Er ging zum Schrank und holte den Kognak.

„Bei dem Kognak können wir sogar heroische Haltung haben”, sagte ich. „Wenn ich nicht irre, ist das unsere letzte gute Flasche.”

„Heroische Haltung, Knabe”, erwiderte Lenz verweisend, „ist was für schwere Zeiten. Wir aber leben in verzweifelten Zeiten. Da ist die einzige anständige Haltung der Humor.” Er trank sein Glas aus. „So, und jetzt werde ich mal unsere alte Rosinante besteigen und etwas Kleingeld zusammenfahren.”

Er ging über den dunklen Hof und fuhr mit dem Taxi los. Köster und ich blieben noch eine Weile sitzen. „Pech, Otto”, sagte ich. „Wir haben verdammt viel Pech in der letzten Zeit.”

„Ich habe mir angewöhnt, nicht mehr nachzudenken, als unbedingt nötig ist”, erwiderte Köster. „Das ist immer noch genug. Wie wars oben?”

„Wenn diese Krankheit nicht wäre, ein Paradies. Schnee und Sonne.”

Er hob den Kopf. „Schnee und Sonne. Klingt ein bisschen unwahrscheinlich, was?”

„Ja. Verflucht unwahrscheinlich. Da oben ist alles unwahrscheinlich.”

Er sah mich an. „Was hast du heute abend vor?”

Ich zuckte die Achseln. „Werde erstmal meinen Koffer nach Hause bringen.”

„Ich muss noch auf eine Stunde weg. Kommst du nachher in die Bar?”

„Auf jeden Fall”, sagte ich. „Was soll ich sonst machen?”

* * *

Ich holte meinen Koffer vom Bahnhof und brachte ihn nach Hause. Ich öffnete die Tür, so leise ich konnte, denn ich hatte keine Lust, mit irgendjemand zu reden. Es gelang mir durchzukommen, ohne Frau Zalewski in die Hände zu fallen. Eine Weile blieb ich in meinem Zimmer sitzen. Auf dem Tisch lagen Briefe und Zeitungen. Die Briefe waren lauter Drucksachen. Ich hatte niemand, der mir schrieb. Jetzt würde ich jemand haben, dachte ich.

Nach einiger Zeit stand ich auf, wusch mich und zog mich um. Meinen Koffer packte ich nicht aus; ich wollte nachher, wenn ich allein nach Hause kam, noch etwas zu tun haben. Ich ging auch nicht in Pats Zimmer, obschon ich wusste, dass niemand da wohnte. Leise schlich ich mich über den Korridor und atmete auf, als ich draußen war.

* * *

In der Bar waren Valentin, Köster und Ferdinand Grau. Lenz kam etwas später. Ich setzte mich zu ihnen und bestellte mir eine halbe Flasche Rum. Ich fühlte mich immer noch verdammt schlecht.

Der Rum klopfte hinter meiner Stirn. Ich stand leise auf und ging zu Fred ins Büro. Er schlief. Ich weckte ihn und ließ eine Verbindung mit dem Sanatorium anmelden.

,.Sie können drauf warten”, sagte er. „Um diese Zeit geht das rasch.”

Fünf Minuten später klingelte das Telefon, das Sanatorium meldete sich. „Ich möchte Fräulein Hollmann sprechen”, sagte ich.

„Einen Augenblick, ich verbinde mit der Station.”

Die Oberschwester meldete sich. „Fräulein Holmann schläft schon.”

„Hat sie kein Telefon im Zimmer?”

„Nein.”

„Können Sie sie nicht wecken?”

Die Stimme zögerte. „Nein. Sie soll heute auch nicht aufstehen.”

„Ist etwas passiert?”

„Nein. Sie muss nur die nächsten Tage im Bett bleiben.”

„Ist bestimmt nichts passiert?”

„Nein, nein, das ist immer so im Anfang. Sie muss im Bett bleiben und sich erst gewöhnen.”

Ich hängte ab. „Schon zu spät, was?” fragte Fred.

„Wie meinst du das?” Er zeigte mir seine Uhr. „Es geht schon auf zwölf.”

„Ja”, sagte ich. „Hätte gar nicht anrufen sollen.”

Ich ging zurück und trank weiter.

Um zwei Uhr brachen wir auf.

XXIII

Anfang November verkauften wir den Citroen. Das Geld reichte, um die Werkstatt eine Weile weiterzuführen, aber unsere Lage wurde von Woche zu Woche schlechter. Die Leute stellten im Winter ihre Wagen ein, um Benzin und Steuern zu sparen, und Reparaturen kamen immer weniger vor. Wir halfen uns zwar mit dem Taxi durch, aber der Verdienst war für drei zu knapp und ich war deshalb ganz froh, als der Wirt vom International mir vorschlug, vom Dezember ab wieder jeden Abend bei ihm Klavier zu spielen. Er hatte in der letzten Zeit Glück gehabt; der Viehhändlerverband hatte seine wöchentlichen Vereinsabende in ein Hinterzimmer des International verlegt, dann war der Pferdehändlerverband nachgefolgt und zum Schluß noch die Gesellschaft für Feuerbestattung auf gemeinnütziger Grundlage. Auf diese Weise konnte ich Lenz und Köster das Taxi lassen und mir war es auch sonst ganz recht, – ich wusste ohnehin oft nicht, wie ich die Abende herumbringen sollte.

Pat schrieb mir regelmäßig. Ich wartete auf ihre Briefe, aber ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie lebte, und manchmal, in den dunklen, schmutzigen Dezemberwochen, wo es nicht einmal mittags richtig hell wurde, glaubte ich, sie sei mir längst entglitten und alles sei vorbei. Es schien mir endlos, seit sie fort war, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie wiederkommen würde. Dann kamen Abende voll schwerer, wilder Sehnsucht, wo nichts mehr half, als mit den Huren und den Viehhändlern bis morgens zu sitzen und zu trinken.

Der Wirt hatte die Erlaubnis bekommen, das International am Weihnachtsabend offen zu halten. Es sollte eine große Feier für die Junggesellen aller Vereine stattfinden. Der Vorsitzende des Viehhändlerverbandes, der Schweinehändler Stefan Grigoleit, stiftete dazu zwei Spanferkel und eine Anzahl Eisbeine. Er war seit zwei Jahren Witwer und eine weiche Natur; da wollte er Weihnachten in Gesellschaft verbringen.

Der Wirt erstand eine vier Meter hohe Edeltanne, die neben der Theke aufgebaut wurde. Rosa, die Autorität in allem, was traulich und gemütlich hieß, übernahm es, den Baum zu schmücken. Als besondere Aufmerksamkeit für Grigoleit wurde eine Anzahl rosa Marzipanschweinchen hineingehängt.

Ich hatte mich nachmittags zu Bett gelegt, um ein paar Stunden zu schlafen. Als ich aufwachte, war es dunkel. Ich musste mich einen Augenblick besinnen, ob es Abend oder Morgen war. Ich hatte geträumt, aber ich wusste nicht mehr wovon. Ich war weit weggewesen und ich glaubte noch zu hören, dass eine schwarze Tür hinter mir zuschlug. Dann merkte ich, dass jemand klopfte.

* * *

Um sieben Uhr meldete ich das Gespräch mit Pat an. Von dieser Zeit an kostete es die halbe Taxe und ich konnte doppelt so lange telefonieren. Eine Viertelstunde später kam das Gespräch. Pat war gleich am Apparat. Als ich ihre warme, dunkle, etwas zögernde Stimme so dicht neben mir hörte, wurde ich so aufgeregt, dass ich kaum sprechen konnte. Es war wie ein Zittern, wie ein Beben des Blutes, gegen das man mit allem Willen nichts machen konnte. „Mein Gott, Pat”, sagte ich, „bist du wirklich da?”

Sie lachte. „Wo bist du denn, Robby? Im Büro?”

„Nein, ich sitze bei Frau Zalewski auf dem Tisch. Wie gehts dir?”

„Gut, Liebling.”

„Bist du auf?”

„Ja. Ich sitze auf der Fensterbank in meinem Zimmer und habe meinen weißen Bademantel an. Draußen schneit es.”

Ich sah sie plötzlich deutlich vor mir. Ich sah die Schneeflocken wirbeln, ich sah den schmalen, dunklen Kopf, die geraden, etwas vorgebeugten Schultern, die bronzefarbene Haut —

„Herrgott, Pat”, sagte ich, „das verfluchte Geld! Ich würde mich sonst auf der Stelle in ein Flugzeug setzen und heute abend noch ankommen.”

„Ach, Liebling – ”

Sie schwieg. Ich horchte in das leise Kratzen und Summen der Leitung. „Bist du noch da, Pat?”

„Ja, Robby. Aber du musst so etwas nicht sagen. Mir ist ganz schwindlig geworden.”

„Mir ist auch verdammt schwindlig”, sagte ich. „Erzähl mir, was du da oben alles machst.”

Sie begann zu sprechen, aber ich hörte bald nicht mehr auf das, was sie sagte. Ich hörte nur ihre Stimme, und während ich so auf dem dunklen Vorplatz hockte, zwischen dem Wildschweinsschädel und der Küche mit den grünen Bohnen, schien es mir, als ginge die Tür auf und eine Welle von Wärme und Glanz käme herein, schmeichelnd und bunt, voll von Träumen, Sehnsucht und Jugend. Ich stemmte die Füße gegen den Tisch, ich stützte den Kopf in die Hand, ich sah den Wildschweinsschädel an und die abgestoßene Küchentür, aber ich konnte mir nicht helfen, – Sommer war auf einmal da, Wind, Abend über Ährenfeldern und das grüne Licht der Waldwege. Die Stimme schwieg. Ich atmete tief.

„Es ist schön mit dir zu sprechen, Pat. Und heute abend, was tust du da?”

„Heute abend ist ein kleines Fest. Um acht beginnt es. Ich ziehe mich gerade dazu an.”

„Was ziehst du denn dazu an? Das silberne Kleid?”

„Ja, Robby. Das silberne Kleid, in dem du mich durch den Korridor getragen hast.”

„Und mit wem gehst du?”

„Mit niemand. Es ist doch hier im Sanatorium. Unten in der Halle. Da kennen sich alle.”

„Es muss schwer sein für dich, mich nicht zu betrügen”, sagte ich. „In dem silbernen Kleid.”

Sie lachte. „In dem schon gar nicht. Da habe ich Erinnerungen.”

„Ich auch. Ich habe gesehen, wie es wirkt. Aber ich will es auch gar nicht so genau wissen. Du kannst mich betrügen, ich will es nur nicht wissen. Nachher, wenn du zurückkommst, ist es dann nur wie geträumt für dich und vergessen und vorbei.”

„Ach Robby”, sagte sie langsam und ihre Stimme klang tiefer als vorher. ,,lch kann dich nicht betrügen. Dafür denke ich viel zu viel an dich. Du weißt nicht, wie das hier oben ist. Ein strahlendes, schönes Gefängnis. Man lenkt sich ab, so gut es geht, das ist alles. Wenn ich an dein Zimmer denke, dann weiß ich manchmal nicht, was ich tun soll, dann gehe ich an den Bahnhof und sehe die Züge an, die von unten kommen und denke, dass ich dir dann näher bin, wenn ich in ein Abteil einsteige oder so tue, als ob ich jemand abholen will.”

Ich biss die Lippen zusammen. Ich hatte sie noch nie so sprechen gehört. Sie war immer scheu gewesen und ihre Zuneigung hatte viel mehr in einer Gebärde, einem Blick gelegen als in Worten.

„Ich werde zusehen, dass ich dich einmal besuchen kann, Pat”, sagte ich.

„Wirklich, Robby?”

„Ja, vielleicht Ende Januar.”

Ich wusste, dass es kaum möglich war, denn von Februar an mussten wir ja auch das Geld für das Sanatorium aufbringen. Aber ich sagte es ihr, damit sie etwas hatte, woran sie denken konnte. Es war dann später nicht so schwer, es weiter zu verschieben, bis der Tag kam, wo sie wieder herunter konnte.

„Leb wohl, Pat”, sagte ich. „Lass es dir gut gehen. Sei froh, dann bin ich auch froh. Sei froh heute abend.”

„Ja, Robby, heute bin ich glücklich.”

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