Книга: Das doppelte Lottchen / Близнецы. Книга для чтения на немецком языке
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Aufgaben

Ist das richtig?

1.Der Chef des Verlags gibt Frau Körner einige Fotos mit Zwillingen.

2.Frau Körner soll ein Foto für das Titelblatt der „Illustrierten“ wählen und eine interessante Unterschrift verfassen.

3.Frau Körner findet die Fotos schön und ist sofort einverstanden, eines davon als Titelblatt zu bringen.

4.Frau Körner ist verwirrt. Die Gedanken fahren in ihrem Kopfe Karussel, weil sie auf den Fotos ihre Kinder erkennt.

5.Zuerst denkt sie, dass die Bilder zusammenkopiert sind.

6.Dann kommt sie zum Schluss, dass ihre Kinder sich im Ferienheim kennen gelernt haben.

7.Sie beginnt zu zweifeln, dass das Mädchen, das aus dem Ferienheim zurückgekehrt ist, Lotte ist.

8.Lottes Klassenlehrerin ist nicht erstaunt über die Fragen der Mutter.

9.Luise hat sich selbst verraten und der Mutter alles erzählt. Nur von Fräulein Gerlach hat sie nichts erzählt.

10.Luise und die Mutter sind glücklich, dass sie einander gefunden haben.

11.Luise und die Mutter sind in Sorge, weil Lotte keine Briefe mehr schreibt.



Übersetzung:

1.In ihrem Kopf dreht sich alles.

2.Die Gedanken fahren in ihrem Kopf Karussel.

3.Sie bemüht sich, den Kopf oben zu behalten.

4.Sie ist bemüht, sich zusammenzureißen.

5.Gerade jetzt heißt es, den Kopf oben zu behalten.

6.Wenn ich das wüsste!

7.In einer unglücklichen Ehe wären die Kinder nicht glücklich.

8.Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal kochen kann.

9.Nehmen Sie es mir nicht übel.

10.Ich bin in Sorge.

11.Ich halte die Fotos nicht für echt.

12.Ich halte es nicht für möglich.



Wie sagt man anders:

1. Das lässt sich verstehen.

2.Sie gleichen einander.

3.Luise sehnt sich sehr nach dem Vater.

4.Lotte hat große Sehnsucht nach der Mutter.

5.Die beiden Mädchen haben großes Heimweh.

6.Ich bin besorgt.



Was gehört zusammen:

1. Karussel 2. den Kopf 3. für möglich 4. in Sorge 5. zu viel Ehre 6. jemandem etwas

a) halten b) oben zu behalten c) sein d) fahren e) antun f) übelnehmen



Wie heißt auf Deutsch:

1.Не правда ли?

2.Если бы я только знала!

3.Это было бы прекрасно.

4.Это было бы правильно.

5.Не обижайтесь на меня.

6.У меня голова идёт кругом.

7.Я обеспокоен.

8.Я бы никогда не подумал, что у него есть дети.

9.Фотография не подлинная.

10.Я не считаю это возможным.



Fragen:

1.Welchen Auftrag bekommt Frau Körner vom Chefredakteur?

2.Warum ist ihr plötzlich schlecht geworden?

3.Woran begann sie zu zweifeln?

4.Wie hat sich Luise verraten?

5.Welches Geheimnis hat sie nicht verraten?

6.War Luise glücklich, als sie alles der Mutter erzählt hat?

7.War die Mutter glücklich, dass sie Luise gefunden hat?

8.Warum sind die beiden in Sorge?



Nacherzählung:

1.Der Chefredakteur der „Münchner Illustrierten“ bekommt Fotos der Zwillinge von dem Dorffotografen aus Seebühl.

2.Frau Körner ist verwirrt.

3.Sie kommt zum Schluss, dass ihre Töchter in Seebühl begegnet sind und entdeckt haben, dass sie Geschwister sind.

4.Luise hat sich verraten und beichtet fast alles.

5.Lotte antwortet nicht mehr.

Zehntes Kapitel

Lottchen liegt apathisch im Bett. Sie schläft. Sie schläft viel. „Schwäche“, hat Herr Strobl heute Mittag gesagt. Der Herr Kapellmeister sitzt am Kinderbett und blickt ernst auf das kleine, schmale Gesicht hinunter. Er kommt seit Tagen nicht mehr aus dem Zimmer. Beim Dirigieren lässt er sich vertreten. Ein Bett ist für ihn vom Boden heruntergeholt worden.

Nebenan läutet das Telefon. Resi kommt auf Zehenspitzen ins Zimmer.

„Ein Ferngespräch aus München!“, flüstert sie. „Ob Sie sprechbereit sind!“

Er steht leise auf und bittet sie, beim Kind zu bleiben, bis er zurück ist. Dann schleicht er ins Nebenzimmer. München? Wer kann das sein? Wahrscheinlich die Konzertdirektion Keller & Co. Ach, sie sollen ihn in Ruhe lassen!

Er nimmt den Hörer und meldet sich.

„Hier Palfy!“

„Hier Körner!“, ruft eine weibliche Stimme aus München herüber.

„Was?“, fragt er verblüfft.

„Wer? Luiselotte?“

„Ja!“, sagt die ferne Stimme.

„Entschuldige, dass ich dich anrufe. Doch ich bin wegen des Kindes in Sorge. Es ist hoffentlich nicht krank?“

„Doch.“ Er spricht leise. „Es ist krank!“

„Oh!“ Die ferne Stimme klingt sehr erschrocken. Herr Palfy fragt stirnrunzelnd: „Aber ich verstehe nicht, wieso du. . .“

„Wir hatten so eine Ahnung, ich und – Luise!“ „Luise?“ Er lacht nervös. Dann lauscht er verwirrt. Lauscht immer verwirrter. Schüttelt den Kopf. Fährt sich aufgeregt durchs Haar.

Die ferne Frauenstimme berichtet hastig, was sich nun eben in solch fliegender Hast berichten lässt.

„Sprechen Sie noch?“, erkundigt sich das Fräulein vom Amt.

„Ja, zum Donnerwetter!“ Der Kapellmeister schreit es. Man kann sich ja das Durcheinander, das in ihm herrscht, einigermaßen vorstellen.

„Was fehlt denn dem Kind?“, fragt die besorgte Stimme seiner geschiedenen Frau.

„Nervenfieber“, antwortet er. „Die Krisis sei überstanden, sagt der Arzt. Aber die körperliche und seelische Erschöpfung ist sehr groß.“

„Ein tüchtiger Arzt?“

„Aber gewiss! Herr Strobl. Er kennt Luise schon von klein auf.“ Der Mann lacht irritiert.

„Entschuldige, es ist ja Lotte! Er kennt sie also nicht!“ Er seufzt.

Drüben in München seufzt eine Frau. – Zwei Erwachsene sind ratlos. Ihre Herzen und Zungen sind gelähmt. Und ihre Gehirne, scheint es, ihre Gehirne auch.

In dieses beklemmende Schweigen hinein klingt eine wilde Kinderstimme.

„Vati! Lieber, lieber Vati!“, hallt es aus der Ferne. „Hier ist Luise! Grüß dich Gott, Vati! Sollen wir nach Wien kommen? Ganz geschwind?“

Das erlösende Wort ist gesprochen. Die eisige Beklemmung der beiden Großen schmilzt wie unter einem Tauwind. „Grüß Gott, Luiserl!“, ruft der Vater sehnsüchtig. „Das ist ein guter Gedanke!“

„Nicht wahr?“ Das Kind lacht selig.

„Wann könnt ihr denn hier sein?“, ruft er. Nun ertönt wieder die Stimme der jungen Frau.

„Ich werde mich gleich erkundigen, wann morgens der erste Zug fährt.“

„Nehmt doch ein Flugzeug!“, schreit er. „Dann seid ihr schneller hier!“ – Wie kann ich nur so schreien, denkt er. Das Kind soll doch schlafen!

Als er ins Kinderzimmer zurückkommt, räumt ihm die Resi seinen Platz am Bett wieder ein und will auf Zehenspitzen davon.

„Resi!“, flüstert er. Sie bleiben beide stehen. „Morgen kommt meine Frau.“

„Ihre Frau?“

„Pst! Nicht so laut! Meine geschiedene Frau! Lottchens Mutter!“

„Lottchens?“

Er winkt lächelnd ab. Woher soll sie’s denn wissen? Das Luiserl kommt auch mit!“

„Das – wieso? Da liegt’s doch, das Luiserl!“ Er schüttelt den Kopf.

„Nein, das ist der Zwilling.“

„Zwilling?“ Die Familienverhältnisse des Herrn Kapellmeister wachsen der armen Person über den Kopf.

„Sorgen Sie dafür, dass wir zu essen haben! Über die Schlafgelegenheiten sprechen wir noch.“

„O du mein Gott!“, murmelt sie, während sie aus der Tür schleicht.

Der Vater betrachtet das erschöpft schlummernde Kind, dessen Stirn feucht glänzt. Mit einem Tuch tupft er sie behutsam trocken.

Das ist nun also die andere kleine Tochter! Sein Lottchen! Welche Tapferkeit und welche Willenskraft erfüllten dieses Kind, bevor es von Krankheit und Verzweiflung überwältigt wurde! Vom Vater hat es diesen Heldenmut wohl nicht. Von wem? Von der Mutter? Wieder läutet das Telefon.

Resi steckt den Kopf ins Zimmer. „Fräulein Gerlach!“

Herr Palfy schüttelt, ohne sich umzuwenden, ablehnend den Kopf.



Frau Körner lässt sich von Doktor Bernau wegen dringender Familienangelegenheiten Urlaub geben. Sie telefoniert mit dem Flugplatz und bekommt für morgen früh auch richtig zwei Flugplätze. Dann wird ein Koffer mit dem Notwendigsten gepackt.

Die Nacht scheint endlos, so kurz sie ist. Aber auch endlos scheinende Nächte vergehen.



Als am nächsten Morgen der Herr Strobl, von Peperl begleitet, vor dem Haus in der Rotenturmstraße ankommt, fährt gerade ein Taxi vor.

Ein kleines Mädchen steigt aus dem Auto – und schon springt Peperl wie besessen an dem Kind hoch!

Er bellt, er dreht sich wie ein Kreisel, er wimmert vor Wonne, er springt wieder hoch!

„Grüß Gott, Peperl! Grüß Gott, Herr Strobl!“ Der Herr Strobl vergisst vor Verblüffung, den Gruß zu erwidern. Plötzlich springt er, wenn auch nicht ganz so graziös wie sein Peperl, auf das Kind zu und schreit:

„Bist du denn völlig übergeschnappt? Scher dich ins Bett!“

Luise und der Hund sausen ins Haustor. Eine junge Dame entsteigt dem Auto.

„Den Tod wird sie sich holen, das Kind!“, schreit der Herr Strobl empört.

„Es ist nicht das Kind, das Sie meinen“, sagt die junge Dame freundlich. „Es ist die Schwester.“



Resi öffnet die Korridortür. Draußen steht Peperl mit einem Kind.

„Grüß Gott, Resi!“, ruft das Kind und stürzt mit dem Hund ins Kinderzimmer.

Die Haushälterin schaut hintendrein und schlägt ein Kreuz.

Dann ächzt der alte Herr Strobl die Stufen empor. Er kommt mit einer bildhübschen Frau, die einen Reisekoffer trägt.

„Wie geht’s Lottchen?“, fragt die junge Frau hastig.

„Etwas besser, glaub ich“, meint die Resi. „Darf ich Ihnen den Weg zeigen ?“

„Danke, ich weiß Bescheid!“ Und schon ist die Fremde im Kinderzimmer verschwunden.

„Wenn Sie wieder einigermaßen zu sich gekommen sind“, sagt der Herr Strobl amüsiert, „helfen Sie mir vielleicht aus dem Mantel. Aber lassen Sie sich nur Zeit!“

Resi zuckt zusammen. „Bitte tausendmal um Vergebung“ stammelt sie.

„Es hat ja heute keine Eile mit meiner Visite“, erklärt er geduldig.

„Mutti!“, flüstert Lotte. Ihre Augen hängen groß und glänzend an der Mutter, wie an einem Bild aus Traum und Zauber. Die junge Frau streichelt wortlos die heiße Kinderhand. Sie kniet am Bett nieder und nimmt das zitternde Geschöpf sanft in die Arme.

Luise schaut blitzschnell zum Vater hinüber, der am Fenster steht. Dann macht sie sich an Lottchens Kissen zu schaffen, klopft sie, wendet sie um, zupft ordnend am Betttuch. Jetzt ist sie das Hausmütterchen. Sie hat’s ja inzwischen gelernt!

Der Herr Kapellmeister mustert die drei mit einem verstohlenen Seitenblick. Die Mutter mit ihren Kindern. Seine Kinder sind es ja natürlich auch! Und die junge Mutter war vor Jahren sogar einmal seine junge Frau! Versunkene Tage, vergessene Stunden tauchen vor ihm auf. Lang, lang ist’s her…

Peperl liegt wie vom Donner gerührt am Fußende des Bettes und blickt immer wieder von dem einen kleinen Mädchen zum anderen. Sogar die kleine schwarze gelackte Nasenspitze ruckt unschlüssig zwischen den beiden hin und her, als schwanke sie zweifelnd, was zu tun sei. Einen netten, kinderlieben Hund in solche Verlegenheit zu bringen! Da klopft es.

Die vier Menschen im Zimmer erwachen wie aus einem seltsamen Wachschlaf. Der Herr Strrobl tritt ein. Jovial und ein bisschen laut wie immer. Am Bett macht er Halt. „Wie geht’s dem Patienten?“ „Gut“, sagt Lottchen und lächelt ermattet. „Haben wir heute endlich Appetit?“, brummt er. „Wenn Mutti kocht!“, flüstert Lottchen. Mutti nickt und geht ans Fenster. „Entschuldige, Ludwig, dass ich dir erst jetzt guten Tag sage!“

Der Kapellmeister drückt ihr die Hand.

„Ich dank dir vielmals, dass du gekommen bist.“

„Aber ich bitte dich! Das war doch selbstverständlich! Das Kind…“

„Freilich, das Kind“, erwidert er. „Trotzdem!“ „Du siehst aus, als hättest du seit Tagen nicht geschlafen“, meint sie zögernd.

„Ich werd’s nachholen. Ich hatte Angst um… um das Kind!“

„Es wird bald wieder gesund sein“, sagt die junge Frau zuversichtlich, „Ich fühl’s.“

Am Bett wird gewispert. Luise beugt sich dicht an Lottchens Ohr.

„Mutti weiß nichts von Fräulein Gerlach. Wir dürfen’s ihr auch nie sagen!“ Lottchen nickt ängstlich.

Der Herr Strobl kann es nicht gehört haben, weil er das Fieberthermometer prüft. Obwohl er natürlich das Thermometer nicht gerade mit den Ohren inspiziert! Sollte er aber doch etwas gehört haben, so versteht er es jedenfalls vorbildlich, sich nicht das Mindeste anmerken zu lassen. „Die Temperatur ist fast normal“, sagt er. „Du bist übern Berg! Herzlichen Glückwunsch, Luiserl!“

„Danke schön, Herr Hofrat“, antwortet die richtige Luise kichernd.

„Oder meinen Sie mich?“, fragt Lottchen, vorsichtig lachend. Der Kopf tut dabei noch weh.

„Ihr seid mir ein paar lntriganten“, knurrt er, „ein paar ganz gefährliche! Sogar meinen Peperl habt ihr an der Nase herumgeführt!“ Er streckt beide Hände aus und mit jeder fährt er zärtlich über einen Mädchenkopf.

Dann hustet er energisch, steht auf und sagt: „Komm, Peperl, reiß dich von den zwei trügerischen Weibsbildern los!“

Peperl wedelt Abschied nehmend mit dem Schwanz. Dann schmiegt er sich an die gewaltigen Hosenröhren seines Herrn, der soeben dem Herrn Kapellmeister Palfy erklärt:

„Eine Mutter, das ist eine Medizin, die kann man nicht in der Apotheke holen!“ Er wendet sich an die junge Frau. „Werden Sie solange bleiben können, bis das Luiserl, bis das Lottchen, meine ich, wieder völlig beisammen ist?“

„Ich werde wohl können, Herr Strobl, und ich möchte schon!“

„Na also“, meint der alte Herr. „Der Herr Exgemahl wird sich halt drein fügen müssen.“ Palfy öffnet den Mund.

„Lassen Sie nur“, sagt der Herr Strobl spöttisch. „Das Künstlerherz wird Ihnen natürlich bluten. So viel Leute in der Wohnung! Aber nur Geduld – bald werden Sie wieder hübsch allein sein.“

Er hat’s heute in sich, Herr Doktor! Die Tür macht er so rasch auf, dass die Resi, die draußen horcht, am Kopf eine Beule kriegt.

Der Abend hat sich auf die Erde herabgesenkt. In Wien wie anderswo auch. Im Kinderzimmer ist es still. Luise schläft. Lotte schläft.

Frau Körner und der Kapellmeister haben bis vor wenigen Minuten im Nebenzimmer gesessen. Sie haben manches besprochen, und sie haben noch mehr beschwiegen. Dann ist er aufgestanden und hat gesagt:

„So! Nun muss ich gehen!“ Dabei ist er sich – übrigens mit Recht – etwas komisch erschienen. Wenn man bedenkt, dass im Nebenzimmer zwei neunjährige Mädchen schlafen, die man von der hübschen Frau hat, die vor einem steht – und man selber muss wie ein abgeblitzter Tanzstundenherr davonschleichen! Aus der eigenen Wohnung! Wenn es noch, wie in den guten alten Zeiten, unsichtbare Hausgeister gäbe – wie müssten die jetzt kichern! Sie bringt ihn bis zur Korridortür. Er zögert.

„Falls es wieder schlimmer werden sollte – ich bin drüben im Atelier.“

„Mach dir keine Sorgen!“, sagt sie zuversichtlich. „Vergiss lieber nicht, dass du viel Schlaf nachzuholen hast.“

Er nickt. „Gute Nacht.“

„Gute Nacht.“

Während er langsam die Treppe hinabsteigt, ruft sie leise:

„Ludwig!“ Er dreht sich fragend um.

„Kommst du morgen zum Frühstück?“

„Ich komme!“

Als sie die Tür verschlossen und die Kette vorgehängt hat, bleibt sie noch eine Weile nachdenklich stehen. Er ist wirklich älter geworden. Fast sieht er schon wie ein richtiger Mann aus, ihr ehemaliger Mann!

Dann wirft sie den Kopf zurück und geht, den Schlaf ihrer und seiner Kinder mütterlich zu bewachen.



Eine Stunde später steigt, vor einem Haus am Kärntner Ring, eine junge, elegante Dame aus einem Auto und verhandelt mit dem mürrischen Portier.

„Der Herr Kapellmeister?“, brummt er „Ich weiß net, ob er droben ist!“

„Im Atelier ist Licht“, sagt sie. „Also ist er da! Hier!“ Sie drückt ihm Geld in die Hand und eilt, an ihm vorbei, hinauf.

Er betrachtet den Geldschein und schlurft in seine Wohnung zurück.

„Du?“, fragt Ludwig Palfy oben an der Tür.

„Erraten!“, bemerkt Irene Gerlach bissig und tritt ins Atelier. Sie setzt sich, zündet sich eine Zigarette an und mustert den Mann abwartend. Er sagt nichts.

„Warum lässt du dich am Telefon verleugnen?“, fragt sie. „Findest du das sehr geschmackvoll?“

„Ich hab mich nicht verleugnen lassen.“

„Sondern?“

„Ich war nicht fähig, mit dir zu sprechen. Mir war nicht danach zumute. Das Kind war schwer krank.“

„Aber jetzt geht es ihm wohl besser. Sonst wärst du doch in der Rotenturmstraße.“ Er nickt.

„Ja, es geht ihm besser. Außerdem ist meine Frau drüben.“

„Wer?“

„Meine Frau. Meine geschiedene Frau. Sie kam heute Morgen mit dem anderen Kind.“

„Mit dem anderen Kind?“, echot die junge, elegante Frau.

„Ja, es sind Zwillinge. Erst war das Luiserl bei mir. Seit Ferienschluss dann das andere. Doch das hab ich gar nicht gemerkt. Ich weiß es erst seit gestern.“

Die Dame lacht böse. „Raffiniert eingefädelt von deiner Geschiedenen!“

„Sie weiß es auch erst seit gestern“, meint er ungeduldig.

Irene Gerlach verzieht ironisch die schön gemalten Lippen.

„Die Situation ist nicht unpikant, gelt? In der einen Wohnung sitzt eine Frau, mit der du nicht mehr, und in der anderen eine, mit der du noch nicht verheiratet bist!“

Ihn packt der Ärger.

„Es gibt noch viel mehr Wohnungen, wo Frauen sitzen, mit denen ich noch nicht verheiratet bin!“

„Oh!“ Sie erhebt sich. „Witzig kannst du auch sein?“

„Entschuldige, Irene, ich bin nervös!“ „Entschuldige, Ludwig, ich auch!“ Bums! Die Tür ist zu und Fräulein Gerlach ist gegangen!

Nachdem Herr Palfy einige Zeit auf die Tür gestarrt hat, wandert er zum Bösendorfer Flügel hinüber, blättert in den Noten zu seiner Kinderoper und setzt sich, ein Notenblatt herausgreifend, vor die Tasten.





Eine Zeit lang spielt er vom Blatt. Einen strengen, schlichten Kanon, in einer der alten Kirchentonarten. Dann moduliert er. Von Dorisch nach c-Moll. Von c-Moll nach Es-Dur. Und langsam, ganz langsam schält sich aus der Paraphrase eine neue Melodie heraus. Eine Melodie, so einfach und herzgewinnend, als ob zwei kleine Mädchen mit ihren hellen, reinen Kinderstimmen sie sängen. Auf einer Sommerwiese. An einem kühlen Gebirgssee, in dem sich der blaue Himmel spiegelt. Jener Himmel, der höher ist als aller Verstand, und dessen Sonne die Kreaturen wärmt und bescheint, ohne zwischen den Guten und Bösen einen Unterschied zu machen.

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