Als die edle Kriemhild so verwitwet ward,
Verblieb bei ihr im Lande der Markgraf Eckewart
Mit seinem Ingesinde: Er dient' ihr zu allen Tagen
Und half auch seiner Frauen seinen Herren oft beklagen. (1133)
Zu Wormes bei dem Münster gab man ihr ein Schloss,
Weit und geräumig, reich dazu und groß,
Worin mit dem Gesinde die Freudenlose saß.
Gern ging sie zur Kirche, mit großer Andacht tat sie das. (1134)
Wo ihr Freund begraben lag, wie fleißig ging sie hin!
Sie tat es alle Tage mit traurigem Sinn,
Und bat dass Gott der gute seiner Seele möge pflegen:
Gar oft beweint wurde mit großer Treue der Degen. (1135)
Ute und ihr Gesinde sprachen ihr immer zu,
Und doch im wunden Herzen fand sie so wenig Ruh,
Es konnte nicht verfangen der Trost den man ihr bot.
Sie hatte nach dem Teuern die allergrößeste Not, (1136)
Die nach dem lieben Manne je ein Weib gewann:
Ihre große Tugend mochte man erkennen wohl daran.
Sie klagt' ihn bis zu Ende, bis sie verlor den Leib:
Bald rächte sich gewaltig des kühnen Siegfriedes Weib. (1137)
Sie saß nach ihrem Leide, das ist alles wahr,
Nach ihres Mannes Tode bis an das vierte Jahr
Und hatte nie zu Gunthern gesprochen einen Laut,
Und ihren Feind Hagen in all der Zeit nicht erschaut. (1138)
Da sprach von Tronje Hagen: “Könnte das geschehn,
Dass ihr eure Schwester euch hold möchtet sehn,
So käm zu diesem Lande der Nibelungen Gold:
Des mögt ihr viel gewinnen, wird uns die Königin hold.” (1139)
Er sprach: “Man solls versuchen: Meine Brüder stehn ihr bei,
Die sollen für uns werben, dass sie uns freundlich sei,
Wenn wir den Hort gewinnen, dass sie das gerne sieht.”
“Ich glaube nicht,” sprach Hagen, “dass es jemals geschieht.” (1140)
Da hat er Ortweinen an den Hof zu gehn
Und den Markgraf Gere: Als das war geschehn
Rief man auch Gernoten und Geiselhern das Kind:
Da versuchten bei Kriemhilden sie es freundlich und gelind. (1141)
Da sprach von Burgonden der kühne Gernot:
“Ihr klagt zu lange, Fraue, um Siegfriedens Tod.
Der König will euch zeigen, er hab ihn nicht erschlagen;
Man hört zu allen Zeiten euch so heftig um ihn klagen.” (1142)
Sie sprach: “Des zeiht ihn niemand, ihn schlug Hagens Hand:
Wo er verwundbar wäre, macht ich ihm bekannt.
Wie konnt ich michs versehen, er trüg ihm solchen Hass!
Ich hätte wohl vermieden,” so sprach die Königin, “das. (1143)
“Hätt ich nicht vermeldet seinen schönen Leib,
So ließ ich nun mein Weinen, ich unselig Weib!
Hold werd ich denen nimmer, die das an ihm getan!”
Da begann zu flehen Geiselher, dieser waidliche Mann. (1144)
* Sie sprach: “Ich muss ihn grüßen, ihr liegt zu sehr mir an.
Von euch ists große Sünde: Er hat mir angetan
So viel Herzensschwere ganz ohne meine Schuld:
Mein Mund schenkt ihm Verzeihung, mein Herz ihm nimmer die Huld.” (1145)
* “Nun wird es besser werden,” ihre Freunde sprachen so.
“Vielleicht wirds ihm gelingen, dass sie noch werde froh.
Er mags ihr wohl ersetzen,” sprach Gerenot.
Da sprach die Jammersreiche: “Ich tu nach euerm Gebet: (1146)
Ich will den König grüßen.” Als er das vernahm,
Mit seinen besten Freunden der König zu ihr kam.
Da wagte doch Herr Hagen sich nicht zu ihr heran:
Er kannte seine Schuld wohl, er hatt ihr Leides getan. (1147)
Als sie verschmerzen wollte auf Gunther den Hass,
Dass er sie küssen sollte, wohl ziemte sich ihm das,
Wär ihr mit seinem Willen das Übel nicht geschehn;
So durft er dreistes Mutes immer zu Kriemhilden gehn. (1148)
Es ward mit solchen Tränen nie eine Sühne mehr
Gestiftet unter Freunden: Sie schmerzt' ihr Schaden sehr;
Doch verzieh sie allen bis auf den einen Mann:
Erschlagen hätt ihn niemand, hätt es Hagen nicht getan. (1149)
Darauf nicht lange währt' es, so stellten sie es an,
Dass Kriemhild die Fraue den großen Hort gewann
Vom Nibelungenlande und bracht ihn an den Rhein:
Ihre Morgengabe war es und musst ihr billig eigen sein. (1150)
Nach diesem fuhr da Geiselher und auch Gernot.
Achtzighundert Mannen Frau Kriemhild gebot
Dass sie ihn holen sollten, wo er verborgen lag
Und sein der Degen Alberich mit seinen besten Freunden pflag. (1151)
Als man des Schatzes willen vom Rhein sie kommen sah,
Alberich der Kühne sprach zu den Freunden da:
“Wir dürfen ihr wohl billig den Hort nicht entziehn,
Da sein als Morgengabe heischt die edle Königin. (1152)
“Dennoch sollt es nimmer,” sprach Alberich, “geschehn,
Müssten wir nicht leider für uns verloren sehn
Mitsamt Siegfrieden den guten Nebelhut,
Den immer hat getragen Kriemhilds Gemahl, der Degen gut. (1153)
“Nun ist es Siegfrieden leider schlimm bekommen,
Dass uns die Tarnkappe der Held hat genommen,
Und dass ihm dienen musste dieses ganze Land.”
Hin ging der Kammerhüter, wo er des Hortes Schlüssel fand. (1154)
Da standen vor dem Berge die Kriemhild gesandt
Und mancher ihrer Freunde: Man ließ den Schatz zur Hand
Zu dem Meere bringen an die guten Schiffelein
Und führt' ihn auf den Wellen bis zu Berg auf den Rhein. (1155)
Nun mögt ihr von dem Horte Wunder hören sagen:
Zwölf Doppelwagen konnten ihn kaum von dannen tragen
In der Tag und Nächte vieren aus des Berges Schacht,
Und hätten sie den Weg auch des Tages dreimal gemacht. (1156)
Es war auch nichts anders als Gestein und Gold.
Und hätte man die Erde erkauft mit diesem Gold,
Um keine Mark vermindert hätt es seinen Wert.
Wohl hatte sein mit Unrecht der Degen Hagen nicht begehrt. (1157)
Der Wunsch der lag darunter, ein goldnes Rütelein:
Wer das erkundet hätte, der mochte Meister sein
Auf der weiten Erde wohl über jeden Mann.
Von Albrichs Freunden schlossen Gernoten viele sich an. (1158)
* Als sich Gernot der Degen und der junge Geiselher
Des Hortes unterwanden, da wurden sie auch Herr
Des Landes und der Burgen und der Recken wohlgestalt:
Die mussten ihnen dienen zumal durch Furcht und Gewalt. (1159)
Als sie den Hort gewannen in König Gunthers Land,
Und sich darob die Königin der Herrschaft unterwand,
Die Kammern und die Türme, die wurden voll getragen.
Man hörte nie von Schätzen so große Wunder wieder sagen. (1160)
Und wären auch die Schätze noch größer tausendmal,
Und wär der Degen Siegfried erstanden von dem Fall,
Gern wär bei ihm Kriemhilde geblieben hemdebloß.
Nie war zu einem Helden eines Weibes Treue so groß. (1161)
Als sie den Hort nun hatte, da bracht er in das Land
Viel der fremden Recken: Wohl gab der Frauen Hand,
Dass man so große Milde nie zuvor gesehn.
sie übte hohe Tugend: Das musste man ihr zugestehn. (1162)
Den Armen und den Reichen zu geben sie begann.
Hagen sprach zum König: “Lässt man sie so fortan
Noch eine Weile leben, so wird sie in ihr Lehn
So manchen Degen bringen, dass es uns übel muss ergehn.” (1163)
Da sprach König Gunther: “Ihr gehört das Gut:
Wie darf er mich bekümmern, was sie damit tut?
Ich konnt es kaum erlangen, dass sie mir wurde hold;
Nicht frag ich, wie sie teilet ihr Gestein und rotes Gold.” (1164)
Hagen sprach zum König: “Es vertraut ein kluger Mann
Solche Schätze nimmer einer Frauen an:
Sie bringts mit ihren Gaben wohl noch an den Tag,
Da es sehr gereuen die kühnen Burgonden mag.” (1165)
Da sprach König Gunther: “Ich schwur ihr einen Eid,
Dass ich ihr nimmer wieder fügen wollt ein Leid
Und will es künftig meiden: Sie ist die Schwester mein.”
Da sprach wieder Hagen: “Lasst mich den Schuldigen sein.” (1166)
Sie nahmen ihre Eide meistens schlecht in Hut:
Da raubten sie der Witwe das mächtige Gut.
Hagen aller Schlüssel dazu sich unterwand;
Ihr Bruder Gernot zürnte, als ihm das wurde bekannt. (1167)
Da sprach der junge Geiselher: “Viel Leides ist geschehn
Durch Hagen meiner Schwester: Dem sollt ich widerstehn:
Wär er nicht mein Vetter, es ging' ihm an den Leib.”
Wieder neues Weinen begann da Siegfriedens Weib. (1168)
Im Unmut sprach da Gernot: “Eh wir solche Pein
Mit diesem Golde litten, wir solltens in den Rhein
Allzumal versenken: So hört es niemand an.”
Sie kam mit Klaggebärde da zu Geiselher heran. (1169)
Sie sprach: “Lieber Bruder, du sollst gedenken mein,
Des Lebens und des Gutes sollst du ein Vogt mir sein.”
Da sprach er zu der Fraue: “Wohl, es soll geschehn,
Wenn wir wiederkommen: Eine Fahrt ist zu bestehn.” (1170)
Gunther und seine Freunde räumten da das Land.
Die allerbesten drunter, die man irgend fand.
Hagen nur alleine verblieb um seinen Hass,
Den er Kriemhilden hegte: zu ihrem Schaden tat er das. (1171)
Eh der reiche König wieder war gekommen,
Derweilen hatte Hagen den ganzen Schatz genommen:
Er ließ ihn dort bei Lochheim versenken in den Rhein.
Er wähnt', er sollt ihn nutzen; das aber konnte nicht sein. (1172)
Die Fürsten kamen wieder, mit ihnen mancher Mann.
Kriemhild den großen Schaden zu klagen da begann
Mit Mägdlein und Frauen: Sie hatten Herzeleid.
Gern war ihnen Geiselher zu aller Treue bereit. (1173)
Da sprachen sie einhellig: “Er hat nicht wohlgetan.”
Bis er zu Freunden wieder die Fürsten sich gewann
Entwich er ihrem Zorne: Sie ließen ihn genesen.
Da könnt ihm Kriemhilde wohl nicht feinder sein gewesen. (1174)
Bevor von Tronje Hagen den Schatz also verbarg,
Da hatten sie's beschworen mit Eiden hoch und stark,
Dass er verhohlen bliebe so lang sie möchten leben:
So konnten sie ihn nicht nutzen noch ihn jemand anders geben. (1175)
Mit neuem Leide wieder belastet war ihr Mut,
Erst um des Mannes Leben und nun da sie das Gut
Ihr so gar benahmen: Da ruht' auch ihre Klage
So lange sie lebte nimmer bis zu ihrem jüngsten Tage. (1176)
Nach Siegfriedens Tode, das ist alles wahr,
Lebte sie im Leide wohl dreizehn Jahr,
Dass ihr der Tod des Recken stets im Sinne lag:
Sie war ihm je getreue; das rühmen ihr die Meisten nach. (1177)
* Eine reiche Fürstenabtei stiftete Ute
Nach Dankratens Tode von ihrem Gute,
Mit großen Einkünften, die es noch heute zieht,
Dort zu Lorsch das Kloster, das man in hohen Ehren sieht. (1178)
* Dazu gab auch Kriemhilde hernach ein großes Teil,
Um Siegfriedens Seele und aller Seelen Heil,
Gold und Edelsteine mit williger Hand;
Getreuer Weib auf Erden ward uns selten noch bekannt. (1179)
* Seit Kriemhild König Gunthern hold ward wie zuvor,
Und doch den großen Hort dann durch seine Schuld verlor,
Ihres Herzeleides wurde da noch mehr:
Da zöge gern von dannen die Fraue edel und hehr. (1180)
* Nun war Frau Uten ein Sedelhof bereit
Zu Lorsch bei ihrem Kloster, reich, groß und weit,
Dahin von ihren Kindern sie zog und sich verbarg,
Wo noch die hehre Königin begraben liegt in einem Sarg. (1181)
* Da sprach die Königswitwe: “Liebe Tochter mein,
Hier magst du nicht verbleiben: Bei mir denn sollst du sein
Zu Lorsch in meinem Hause und lässt dein Weinen dann.”
Kriemhilde gab ihr Antwort: “Wo ließ ich aber meinen Mann?” (1182)
* “Den lass nur dort verbleiben,” sprach Frau Ute.
“Nicht woll es Gott vom Himmel,” sprach die Gute.
“Meine liebe Mutter, davor will ich mich wahren,
Nein, er muss von hinnen in Wahrheit auch mit mir fahren.” (1183)
* Da schuf die Jammersreiche, dass man ihn erhub
Und sein Gebein, das edle, wiederum begrub
Zu Lorsch bei dem Münster, mit Ehren mannigfalt:
Da liegt im langen Sarge noch der Degen wohlgestalt. (1184)
* Zu denselben Zeiten, da Kriemhild gesollt
Zu ihrer Mutter ziehen, wohin sie auch gewollt,
Da musste sie verbleiben, weil es nicht sollte sein:
Das schufen neue Mären, die da kamen über Rhein. (1185)