Книга: Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке
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VI

Patrice Hollmann wohnte in einem großen, gelben Häuserblock, der durch ein schmales Rasenstück von der Straße getrennt war. Vor dem Eingang stand eine Laterne. Ich parkte den Cadillac direkt darunter. Er sah in dem bewegten Licht aus wie ein mächtiger Elefant aus fließendem, schwarzem Glanz.

Ich hatte meine Garderobe noch weiter vervollständigt. Zu der Krawatte hatte ich noch einen neuen Hut und ein Paar Handschuhe gekauft; – außerdem trug ich einen Ulster von Lenz, ein herrliches, graues Stück aus feinster Shetlandwolle. So ausgerüstet wollte ich meinen ersten säuferischen Eindruck nachdrücklich in die Flucht schlagen.

Ich hupte. Gleich darauf flammte wie eine Rakete in fünf Fenstern übereinander die Treppenbeleuchtung auf. Der Lift begann zu summen. Ich sah ihn herunterschweben wie einen hellen Förderkorb, der vom Himmel herabgelassen wurde. Patrice Hollmann öffnete die Tür und kam rasch die Treppen herunter. Sie trug eine kurze, braune Pelzjacke und einen engen, braunen Rock.

„Hallo!” Sie streckte mir die Hand entgegen. „Ich freue mich so herauszukommen. Ich war den ganzen Tag zuhause.”

„Warum haben Sie mir das nicht früher gesagt”, erwiderte ich. „Ich hätte Sie dann schon mittags abgeholt.”

„Haben Sie denn soviel Zeit?”

„Das nicht. Aber ich hätte mich schon frei gemacht.”

Sie holte tief Atem. „Wunderbare Luft! Es riecht nach Frühling.”

„Wenn Sie Lust haben, können wir in der Luft herumfahren, so viel Sie wollen”, sagte ich, „nach draußen, vor die Stadt. durch den Wald – ich habe einen Wagen mitgebracht.” Damit zeigte ich so nachlässig auf den Cadillac, als wär er ein alter Ford.

„Der Cadillac?” Überrascht sah sie mich an. „Gehört der Ihnen?”

„Heute abend, ja. Sonst gehört er unserer Werkstatt. Wir haben ihn aufgearbeitet und wollen das Geschäft unseres Lebens damit machen.” Ich öffnete die Tür. „Wollen wir zuerst in die ,Traube’ fahren und essen? Was meinen Sie dazu?”

„Essen schon, aber wozu gerade in der Traube?”

Ich sah verdutzt auf. Die Traube war das einzige elegante Restaurant, das ich kannte.

„Offen gestanden”, sagte ich, „anders weiß ich nichts. Ich denke auch, der Cadillac verpflichtet uns etwas.”

Sie lachte. „In der Traube ist es bestimmt steif und langweilig. Gehen wir doch anderswo hin!”

Ich stand ratlos da. Meine seriösen Träume lösten sich in Dunst auf. „Dann müssen Sie schon etwas vorschlagen”, sagte ich. „Die Lokale, die ich nämlich sonst noch kenne, sind etwas handfest. Ich glaube, das ist nichts für Sie.”

„Warum glauben Sie das?”

„Das sieht man doch so ungefähr – ”

Sie blickte mich rasch an. „Wir können es ja mal versuchen.”

„Gut.” Ich warf entschlossen mein ganzes Programm um.

„Dann weiß ich was, wenn Sie nicht schreckhaft sind. Wir gehen zu Alfons.”

„Alfons klingt schon sehr gut”, erwiderte sie, „und schreckhaft bin ich heute abend auch nicht.”

„Alfons ist ein Bierwirt”, sagte ich, „ein guter Freund von Lenz.”

Sie lachte. „Lenz hat wohl überall Freunde?”

Ich nickte. „Er findet sie auch leicht. Das haben Sie ja bei Binding gesehen.”

„Ja, weiß Gott”, erwiderte sie. „Das ging ja wie der Blitz.”

Wir fuhren los.

* * *

Alfons war ein schwerer, ruhiger Mann. Vorstehende Backenknochen. Kleine Augen. Aufgekrempelte Hemdsärmel. Arme wie ein Gorilla.

Er wischte mit der behaarten Tatze über die helle Tischplatte aus Tannenholz. „Bier?” fragte er.

„Korn und was zu essen”, sagte ich.

„Und die Dame?” fragte Alfons.

„Die Dame will auch einen Korn”, sagte Patrice Hollmann.

„Heftig, heftig”, meinte Alfons. „Es gibt Schweinerippchen mit Sauerkraut.”

„Selbstgeschlachtet?” fragte ich.

„Klar.”

„Aber die Dame möchte sicher etwas leichteres essen, Alfons.”

„Kann nicht Ihr Ernst sein”, meinte Alfons.

„Schauen Sie sich erst mal die Rippchen an.”

Er ließ den Kellner eine Portion zeigen. „War eine wunderbare Sau”, sagte er. „Prämiiert. Zwei erste Preise.”

„Da kann natürlich niemand widerstehen”, erwiderte Patrice Hollmann zu meinem Erstaunen mit einer Sicherheit, als verkehre sie schon Jahre in der Kaschemme hier.

Alfons zwinkerte. „Also zwei Portionen?”

Sie nickte.

„Schön! Werde mal selbst aussuchen.”

Er ging in die Küche. „Ich nehme meine Zweifel wegen des Lokals zurück”, sagte ich. „Sie haben Alfons im Sturm erobert. Selbst aussuchen, das macht er sonst nur bei Stammgästen.”

Alfons kam zurück. „Habe euch noch eine frische. Wurst reingegeben.”

„Keine schlechte Idee”, sagte ich.

Alfons sah uns wohlwollend an. Der Korn kam. Drei Gläser. Eins für Alfons mit. „Na, denn Prost”, sagte er. „Auf dass unsere Kinder reiche Eltern kriegen.”

Wir kippten die Gläser. Das Mädchen nippte nicht, es kippte auch.

„Heftig, heftig”, sagte Alfons und schlurfte zur Theke zurück.

„Schmeckt Ihnen der Korn?” fragte ich.

Sie schüttelte sich. „Etwas kräftig. Aber ich kann mich doch vor Alfons nicht blamieren.”

Die Schweinerippchen hatten es in sich. Ich aß zwei große Portionen und auch Patrice Hollmann aß bedeutend mehr, als ich ihr zugetraut hatte. Ich fand es großartig, dass sie so gut mitmachte und sich so ohne weiteres in das Lokal fand. Sie trank auch ohne Ziererei noch einen zweiten Korn mit Alfons.

Der zwinkerte mir heimlich zu, er fände die Sache richtig. Und Alfons war ein Kenner. Nicht gerade in Bezug auf Schönheit und Kultur, – wohl aber in Bezug auf Kern und Gehalt.

„Wenn Sie Glück haben, lernen Sie Alfons in seiner menschlichen Schwäche kennen”, sagte ich.

„Das möchte ich mal”, erwiderte sie. „Er sieht aus, als hätte er keine.”

„Doch!” Ich zeigte auf einen Tisch neben der Theke. „Da – ”

„Was? Das Grammophon?”

„Nicht das Grammophon. Chorgesang! Alfons hat eine Schwäche für Chorgesang. Keine Tänze, keine klassische Musik, – nur Chöre: Männerchöre, gemischte Chöre, – alles, was da an Platten liegt, sind Chöre. Da, sehen Sie, er kommt.”

„Geschmeckt?” fragte Alfons.

„Wie bei Muttern”, erwiderte ich.

„Die Dame auch?”

„Die besten Schweinerippchen meines Lebens”, erklärte die Dame kühn.

Alfons nickte befriedigt. „Spiele euch jetzt mal meine neue Platte vor. Werdet staunen.”

Er ging zum Grammophon. Die Nadel kratzte und machtvoll erhob sich ein Männerchor, der mit gewaltigen Stimmen das „Schweigen im Walde” sang. Es war ein verflucht lautes Schweigen.

Vom ersten Takt an wurde alles im Lokal still. Alfons konnte gefährlich werden, wenn jemand keine Andacht zeigte. Er stand an der Theke, die haarigen Arme aufgestützt. Sein Gesicht veränderte sich unter der Macht der Musik. Ghorgesang hatte eine unbeschreibliche Gewalt über ihn.

Die Platte lief aus. Alfons kam heran.

„Wunderbar”, sagte ich.

„Besonders der erste Tenor”, ergänzte Patrice Hollmann.

„Richtig”, meinte Alfons und wurde zum ersten Male lebhafter. „Sie verstehen was davon! Der erste Tenor ist ganz große Klasse.”

Wir verabschiedeten uns von ihm. „Grüßt Gottfried”, sagte er. „Soll sich mal wieder sehen lassen.”

Wir standen auf der Straße.

Patrice Hollmann schauerte ein wenig.

„Im Cadillac ist es warm”, sagte ich. „Zur Vorsicht habe ich auch eine Decke mitgebracht.”

Ich half ihr in den Wagen und legte ihr die Decke über die Knie. Sie zog sie höher hinauf. „Herrlich! So ist es wunderbar. Kälte macht traurig.”

Ich ließ den Motor an und wir fuhren langsam und planlos durch die Stadt. Es war die Zeit, wo der Abendverkehr am stärksten ist. Wir glitten fast unhörbar hindurch, so leise summte die Maschine. Es war, als sei der Wagen ein Schiff, das lautlos über die bunten Kanäle des Lebens trieb.

Wir kamen in die ruhigen Straßen der Vororte. Der Wind wurde stärker. Er schien die Nacht vor sich her zu treiben. An einem großen Platz, um den rundherum kleine Häuser in kleinen Gärten schliefen, hielt ich den Wagen an.

Patrice Hollmann machte eine Bewegung, als erwache sie.

„Schön ist das”, sagte sie nach einer Weile. „Wenn ich einen Wagen hätte, würde ich jeden Abend so langsam herumfahren. Es hat etwas Unwirkliches, so lautlos überall vorüberzugleiten. Man ist wach und träumt zur selben Zeit. Ich kann mir denken, dass man dann keine Menschen mehr brauchte abends – ”

Ich zog ein Paket Zigaretten aus der Tasche. „Abends braucht man welche, was?”

Sie nickte. „Abends schon. Das ist eine sonderbare Sache, wenn es dunkel wird.”

Ich riss das Paket auf. „Es sind amerikanische Zigaretten. Mögen Sie die?”

„Ja. Lieber als andere sogar.”

Ich gab ihr Feuer. Einen Augenblick beleuchtete das warme, nahe Licht des Streichholzes ihr Gesicht und meine Hände und ich hatte plötzlich den verrückten Gedanken, als gehörten wir seit langem zusammen.

VII

Zwei Tage später kam Köster eilig aus der Bude. „Robby, dein Blumenthal hat telefoniert. Du sollst um elf mit dem Cadillac zu ihm kommen. Er will eine Probefahrt machen.”

Ich schmiss Schraubenzieher und Engländer hin. „Mensch, Otto – wenn das was würde!”

„Was habe ich euch gesagt”, ließ sich Lenz aus der Grube unter dem Ford her vernehmen, „Er kommt wieder, habe ich gesagt. Immer auf Gottfried hören!”

„Halt den Schnabel, die Situation ist ernst”, schrie ich herunter.

„Otto, wie viel kann ich äußerst vom Preis nachlassen?”

„Äußerst zweitausend. Alleräußerst zweitausendzweihundert. Wenns gar nicht anders geht, zweifünf. Wenn du siehst, dass du einen Wahnsinnigen vor dir hast, zweisechs. Aber sag ihm, dass wir ihn dann in alle Ewigkeit verfluchen werden.”

„Gut.”

Wir putzten den Wagen blitzblank. Ich stieg ein. Köster legte mir die Hand auf die Schulter. „Robby, bedenke, dass du als Soldat andere Sachen mitgemacht hast. Verteidige die Ehre unserer Werkstatt bis aufs Blut. Stirb stehend, die Hand an Blumenthals Brieftasche.”

„Gemacht”, grinste ich.

Lenz kramte eine Medaille aus der Tasche und hielt sie mir vors Gesicht. „Faß mein Amulett an, Robby!”

„Meinetwegen.” Ich fasste zu.

„Abrakadabra, großer Schiwa”, betete Gottfried, „segne diese Memme mit Mut und Stärke! Halt, hier, noch besser, nimms mit! So, jetzt spuck noch dreimal aus.”

„In Ordnung”, sagte ich, spuckte ihm vor die Füße und fuhr los, vorbei an Jupp, der aufgeregt mit dem Benzinschlauch salutierte.

Unterwegs kaufte ich ein paar Nelken und dekorierte sie künstlerisch in den Kristallvasen des Wagens. Ich spekulierte damit auf Frau Blumenthal.

Leider empfing mich Blumenthal in seinem Büro, nicht in der Wohnung. Ich musste eine Viertelstunde warten. Liebling, dachte ich, den Trick kenne ich, damit machst du mich nicht mürbe. Ich forschte im Vorzimmer eine hübsche Stenotypistin, die ich mit der Nelke aus meinem Knopfloch bestach, über das Geschäft aus. Trikotagen, Umsatz gut, neun Personen im Büro, ein stiller Sozius, schärfste Konkurrenz Meyer und Sohn, der Meyersohn fuhr roten Zweisitzer Essex, – soweit war ich, als Blumenthal mich rufen ließ.

Er schoss sofort mit Kanonen. „Junger Mann”, sagte er, „ich hab nicht viel Zeit. Neulich der Preis war ein Wunschtraum von Ihnen. Also Hand aufs Herz, was kostet der Wagen?”

„Siebentausend Mark”, erwiderte ich.

Er wandte sich kurz ab. „Dann ist nichts zu machen.”

„Herr Blumenthal”, sagte ich, „sehen Sie sich den Wagen noch einmal an – ”

„Nicht nötig”, unterbrach er mich, „ich habe ihn mir ja neulich genau angesehen – ”

„Sehen und Sehen ist zweierlei”, erklärte ich. „Sie sollen Details sehen. Die Lackierung, erstklassig, von Voll und Ruhrbeck, Selbstkosten 250 Mark, – die Bereifung neu, Katalogpreis 600 Mark, macht schon 850. Die Polsterung, feinster Cord – ”

Er winkte ab. Ich begann von neuem. Ich forderte ihn auf, das luxuriöse Werkzeug zu besichtigen, das herrliche Verdeckleder, den verchromten Kühler, die modernen Stoßstangen, sechzig Mark das Paar; – wie ein Kind zur Mutter strebte ich zu dem Cadillac zurück und versuchte Blumenthal zu überreden, herunter zu kommen. Ich wusste, dass mir, wie Antäus, neue Kräfte auf der Erde wachsen würden. Preise verlieren viel von ihrem abstrakten Schrecken, wenn man was dafür zeigen kann.

Aber Blumenthal wusste ebenso, dass seine Stärke hinter seinem Schreibtisch lag. Er setzte seine Brille ab und ging mich jetzt erst richtig an. Wir kämpften wie ein Tiger mit einer Pythonschlange. Blumenthal war der Python. Ehe ich mich umsehen konnte, hatte er mir schon fünfzehnhundert Mark abgehandelt.

Mir wurde angst und bange. Ich griff in die Tasche und nahm Gottfrieds Amulett fest in die Hand. „Herr Blumenthal”, sagte ich ziemlich erschöpft, „es ist ein Uhr, Sie müssen sicher zum Essen!” Ich wollte um alles in der Welt raus aus dieser Bude, in der die Preise wie Schnee zerschmolzen.

„Ich esse erst um zwei”, erklärte Bßlumenthal ungerührt, „aber wissen Sie was? Wir können jetzt die Probefahrt machen.”

Ich atmete auf.

„Nachher reden wir dann weiter”, fügte er hinzu. Ich atmete wieder ein.

Wir fuhren zu seiner Wohnung. Er bat mich zu warten, er wolle seine Frau holen.

Frau Blumenthal erschien. Ich erinnerte mich an alle Ratschläge von Lenz und verwandelte mich aus einem Kämpfer in einen Kavalier.

Blumenthal hatte dafür nur ein niederträchtiges Lächeln. Der Mann war aus Eisen. Er hätte Lokomotiven verkaufen sollen, aber keine Trikotagen.

Ich sorgte dafür, dass er hinten in den Wagen kam und seine Frau neben mich. „Wohin darf ich Sie fahren, gnädige Frau?” fragte ich schmelzend.

„Wohin Sie wollen”, meinte sie, mütterlich lächelnd.

Ich begann zu plaudern. Es war eine Wohltat, einen harmlosen Menschen vor sich zu haben. Ich sprach so leise, dass Blumenthal nicht viel verstehen konnte. So sprach ich freier. Es war ohnehin schon schlimm genug, dass er hinten saß.

Wir hielten. Ich stieg aus und sah meinen Feind fest an. „Sie müssen doch zugeben, dass der Wagen sich wie Butter fährt, Herr Blumenthal.”

„Was heißt schon Butter, junger Mann”, entgegnete er sonderbar freundlich, „wenn die Steuern einen auffressen. Der Wagen kostet zu viel Steuern. Ihnen gesagt.”

„Herr Blumenthal”, sagte ich, bestrebt, den Ton festzuhalten, „Sie sind Geschäftsmann, zu Ihnen kann ich aufrichtig reden. Das sind keine Steuern, das sind Spesen. Sagen Sie selbst, was erfordert ein Geschäft denn heute? Sie wissen es, – nicht mehr Kapital, wie früher, – Kredit braucht es! Und wie kriegt man Kredit? Immer noch durchs Auftreten. Ein Gadillac ist solide und flott – behäbig, aber nicht altmodisch – gesundes Bürgertum – er ist die lebendige Reklame fürs Geschäft.”

Blumenthal wendete sich belustigt an seine Frau. „Ein jüdisches Köpfchen hat er, wie? junger Mann”, sagte er dann, immer noch familiär, „die beste Reklame für Solidität ist heute ein schäbiger Anzug und Autobusfahren.

Ich sah ihn misstrauisch an. Was hatte er nur mit seiner Freundlichkeit vor? Oder dämpfte die Gegenwart seiner Frau seinen Kampfgeist? Ich beschloss, eine Pistole abzufeuern. „So ein Gadillac ist doch was anderes als ein Essex, nicht wahr, gnädige Frau? Der Junior von Meyer und Sohn fährt so ein Ding, aber ich möchte ihn nicht geschenkt haben, diesen grellroten, auffälligen Schlitten – ”

Ich hörte Blumenthal schnauben und fuhr rasch fort: „Die Farbe hier kleidet Sie übrigens sehr gut, gnädige Frau – gedämpftes Kobaltblau zu Blond – ”

Plötzlich sah ich Blumenthal wie einen ganzen Wald voll Affen grinsen. ,,Meyer und Sohn – tüchtig, tüchtig – ” stöhnte er. „Und jetzt auch noch Schmonzes – Schmonzes! – ”

Ich blickte ihn an. Ich traute meinen Augen nicht; das war echt! Sofort schlug ich weiter in dieselbe Kerbe. „Herr Blumenthal, gestatten Sie, dass ich etwas richtig stelle. Bei einer Frau sind Schmonzes nie Schmonzes. Es sind Komplimente, die in unserer Jammerzeit leider immer seltener werden. Die Frau ist kein Stahlmöbel; sie ist eine Blume, – sie verlangt keine Sachlichkeit; sie verlangt die heitere Schmonzessonne.

„Gut gebrüllt, Löwe”, sagte Blumenthal strahlend. „Hören Sie, Herr Lohkamp! Ich weiß, dass ich Ihnen noch glatt tausend Mark abhandeln kann – ”

Ich trat einen Schritt zurück. Tückischer Satan, dachte ich, das ist der erwartete Schlag. Ich sah mich bereits als Abstinent durchs Leben wandern und warf den Blick eines gemarterten Rehkitzes zu Frau Blumenthal hinüber. „Aber, Vater – ” sagte sie.

„Lass mal, Mutter”, erwiderte er. „Also ich könnte es, – aber ich tue es nicht. Es hat mir Spaß als Geschäftsmann gemacht, wie Sie gearbeitet haben. Noch etwas zu phantasievoll, aber immerhin – das mit Meyer und Sohn war schon gut. Haben Sie eine jüdische Mutter?”

„Nein.”

„Waren Sie mal in der Konfektion?”

„Ja”

„Sehen Sie, daher den Stil. In was für ‘ner Branche?”

„Seele”, erwiderte ich, „ich sollte mal Schulmeister werden.”

„Herr Lohkamp”, sagte Blumenthal, „Respekt! Wenn Sie mal ohne Stellung sind, rufen Sie bei mir an.”

Er schrieb einen Scheck aus und gab ihn mir. Ich traute meinen Augen nicht! Vorauszahlung! – ein Wunder! „Herr Blumenthal”, sagte ich überwältigt, „erlauben Sie mir, zu dem Wagen zwei kristallene Aschenbecher und eine erstklassige Gummifußmatte gratis dreinzugeben.”

„Schön” meinte er, „da kriegt der alte Blumenthal auch mal was geschenkt.” Dann lud er mich für den nächsten Tag zum Abendessen ein. Frau Blumenthal lächelte mir mütterlich zu.

„Es gibt gefüllten Hecht”, sagte sie weich.

„Eine Delikatesse”, erklärte ich. „Dann bringe ich Ihnen gleich den Wagen mit. Morgen früh lassen wir ihn zu.”

* * *

Ich flog wie eine Schwalbe zurück zur Werkstatt. Aber Lenz und Köster waren zum Essen gegangen. Ich musste meinen Triumph noch bezähmen. Nur Jupp war da. „Verkauft?” fragte er.

„Das möchtest du wohl wissen, du Strolch”, sagte ich. „Hier, da hast du einen Taler. Bau dir ein Flugzeug dafür.”

„Also verkauft”, grinste Jupp.

„Ich fahre jetzt essen”, sagte ich, „aber wehe, wenn du den andern was sagst, bevor ich zurück bin.”

„Herr Lohkamp”, beteuerte er und wirbelte den Taler durch die Luft, „ich bin ein Grab.”

„So siehst du aus”, sagte ich und gab Gas.

Als ich auf den Hof zurückkam, machte Jupp mir ein Zeichen. „Was ist los?” fragte ich. „Hast du den Schnabel nicht gehalten?”

„Herr Lohkamp! Wie Eisen!” Er grinste. „Nur – der Fordfritze ist drin.”

Ich ließ den Cadillac auf dem Hof stehen und ging in die Werkstatt. Der Bäckermeister war da und beugte sich gerade über ein Buch mit Farbproben. Er trug einen karierten Gürtelmantel mit breitem Trauerflor. Neben ihm stand eine hübsche Person mit hurtigen, schwarzen Augen, einem offenen Mäntelchen mit verrupftem Kaninchenfellbesatz und zu kleinen Lackschuhen. Die schwarze Person war für leuchtendes Zinnober; aber der Bäcker hatte gegen Rot Bedenken, weil er doch in Trauer war. Er schlug ein fahles Gelbgrau vor.

„Ach was”, maulte die Schwarze, „ein Ford muss auffallend lackiert sein. Sonst sieht er nach nichts aus.”

Sie schickte verschwörerische Blicke nach uns aus, zuckte mit den Achseln, als der Bäcker sich bückte, verzog den Mund und blinzelte uns zu. Ein munteres Kind! Schließlich einigten sich beide auf Resedagrün. Das Mädchen wollte ein helles Verdeck dazu haben. Doch da wurde der Bäckermeister stark: irgendwo sollte die Trauer herauskommen. Er setzte ein schwarzes Lederverdeck durch. Dabei machte er nebenbei noch ein Geschäft; denn er bekam das Verdeck ja gratis und Leder war teurer als Stoff.

Die beiden gingen. Aber auf dem Hof gab es noch einen Aufenthalt. Die Schwarze hatte den Cadillac kaum erblickt, als sie drauflos schoss. „Sieh mal, Puppi, das ist ein Wagen! Fabelhaft! Das lass ich mir gefallen!”

Im nächsten Augenblick hatte sie die Tür schon offen und saß drin, schielend vor Begeisterung. „Das sind Sitze! Kolossal! Wie Klubsessel! Das ist was anderes als der Ford!”

„Na, komm schon”, sagte Puppi missmutig.

Lenz stieß mich an; – ich sollte in Aktion treten und versuchen, dem Bäcker den Wagen aufzuhängen. Ich sah Gottfried von oben herab an und schwieg. Er stieß stärker. Ich stieß zurück und drehte ihm den Rücken zu.

Mit Mühe bekam der Bäcker sein schwarzes Juwel endlich aus dem Wagen und zog etwas gebückt und stark verärgert ab.

Wir sahen dem Paar nach. „Ein Mann von schnellen Entschlüssen!” sagte ich. „Reparierter Wagen, – neue Frau – alle Achtung!”

„Na”, meinte Köster, „an der wird er noch Freude haben.”

Kaum waren die beiden um die Ecke, da blubberte Gottfried los. „Bist du denn ganz von Gott verlassen, Robby? Verpasst so eine Gelegenheit! Das war doch ein Schulbeispiel, wie man anspringen muss!”

„Unteroffizier Lenz”, erwiderte ich, „nehmen Sie die Knochen zusammen, wenn Sie mit einem Vorgesetzten reden! Glauben Sie, ich bin ein Bigamist und verheirate den Wagen zweimal?”

Es war ein großer Moment, Gottfried dastehen zu sehen. Er machte Augen wie Teller. „Treib keinen Scherz mit heiligen Dingen”, stotterte er.

Ich beachtete ihn gar nicht, sondern wandte mich an Köster. „Otto, nimm Abschied von unserm Cadillac-Kinde! Es gehört nicht mehr uns. Es wird der Unterhosenbranche fortan Glanz verleihen! Hoffe, dass es ein gutes Leben dort haben wird! Nicht so heldisch wie bei uns, – dafür aber sicherer.”

Ich zog den Scheck heraus. Lenz fiel beinahe auseinander.

„Doch nicht – was? Etwa – bezahlt?” flüsterte er heiser.

„Was dachten Sie Anfänger denn?” fragte ich und schwenkte den Scheck hin und her. „Ratet!”

„Vier!” rief Lenz mit geschlossenen Augen.

„Vierfünf”, sagte Köster.

„Fünf”, schrie Jupp von der Pumpe aus herüber.

„Fünffünf”, schmetterte ich.

Lenz riss mir den Scheck aus der Hand. „Unmöglich! Wird bestimmt ungedeckt sein!”

„Herr Lenz”, sagte ich mit Würde, „der Scheck ist so sicher, wie Sie unsicher sind! Mein Freund Blumenthal ist für die zwanzigfache Summe gut. Mein Freund, verstehen Sie, bei dem ich morgen abend gefüllten Hecht esse. Nehmen Sie sich ein Beispiel daran! Freundschaft schließen, Vorauszahlung bekommen und zum Abendbrot eingeladen werden: das heißt verkaufen! So, jetzt können Sie rühren!”

„Du hast tadellos verkauft, Robby”, sagte Köster. „Gottlob, dass wir den Schlitten los sind. Können den Zaster verdammt gut gebrauchen.”

„Gibst du mir fünfzig Mark Vorschuss?” fragte ich.

„Hundert. Hasts verdient.”

„Möchtest du nicht auch meinen grauen Mantel auf Vorschuss dazu haben?” fragte Gottfried mit zugekniffenen Augen.

„Kinder, wir machen Schluss für heute!” schlug Köster vor. „Genug für einen Tag verdient! Man soll Gott auch nicht versuchen. Wollen mit Karl rausfahren und zum Rennen trainieren.”

Jupp hatte längst seine Benzinpumpe im Stich gelassen. Er wischte sich aufgeregt die Hände. „Herr Köster, dann übernehme ich wohl solange hier wieder das Kommando, wie?

„Nein, Jupp”, sagte Otto lachend, „du kommst mit!”

Wir fuhren zunächst zur Bank und gaben den Scheck ab. Lenz ruhte nicht, bis er wusste, dass er in Ordnung war. Dann hauten wir ab, dass die Funken aus dem Auspuff stoben.

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