Книга: Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке
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V

Köster war in seinem ältesten Anzug zum Finanzamt gefahren.

Er wollte versuchen, unsere Steuern herunter zu kriegen. Lenz und ich waren allein in der Werkstatt.

„Los, Gottfried”, sagte ich, ,,ran an den dicken Cadillac.” Am Abend vorher war unser Inserat erschienen. Wir konnten also heute mit Kunden rechnen, – wenn überhaupt jemand kam. Es galt den Wagen vorzubereiten.

Zunächst gingen wir mit Polierwasser über den Lack. Er bekam dadurch Hochglanz und sah aus, als hätte er hundert Mark mehr gekostet. Dann füllten wir das dickste Öl, das es gab, in den Motor. Die Kolben waren nicht mehr ganz erstklassig und lärmten etwas. Durch das dicke Öl wurde das ausgeglichen und die Maschine lief wunderbar ruhig. Auch in das Getriebe und das Differential gaben wir dickes Fett, um sie völlig ruhig zu machen.

Dann fuhren wir hinaus. In der Nähe war ein Stück sehr schlechter Straße. Wir gingen mit fünfzig Kilometern Tempo darüber. Die Karosserie klapperte. Wir ließen ein viertel Atmosphäre Luft aus den Reifen und versuchten es noch einmal. Es war schon besser. Wir ließen noch ein Viertel heraus. Jetzt rührte sich nichts mehr.

Wir fuhren zurück, ölten die quietschende Motorhaube, klemmten etwas Gummi dazwischen, füllten heißes Wasser in den Kühler, damit der Motor gleich gut ansprang, und spritzten den Wagen unten noch einmal mit einem Petroleumzerstäuber ab, damit er auch da glänzte. Dann hob Gottfried Lenz die Hände zum Himmel. „Nun komm, gesegneter Kunde! Komm, lieblicher Brieftaschenbesitzer! Wir harren deiner wie der Bräutigam der Braut!”

* * *

Die Braut ließ auf sich warten. Wir schoben deshalb das Dampfross des Bäckermeisters über die Grube und begannen, ihm die Vorderachse auszubauen. Ein paar Stunden arbeiteten wir ruhig, ohne viel zu reden. Dann hörte ich Jupp von der Benzinpumpe her das Lied: „Horch, was kommt von draußen rein – ” pfeifen.

Ich kletterte aus der Grube und schaute durchs Fenster. Ein kleiner, untersetzter Mann strich um den Cadillac herum. Er sah bürgerlich und solide aus. „Schau mal, Gottfried”, flüsterte ich, „sollte das da eine Braut sein?”

„Klar”, sagte Lenz nach dem ersten Blick. „Sieh dir das Gesicht an. Der ist schon misstrauisch, bevor jemand da ist. Los, ran! Ich bleibe hier als Reserve. Komme nach, wenn du es nicht schaffst. Denk an meine Tricks!”

„Gut.” Ich ging raus.

Der Mann sah mir aus klugen, schwarzen Augen entgegen. Ich stellte mich vor. „Lohkamp.”

„Blumenthal.”

„Sie kommen wegen des Cadillacs, Herr Blumenthal?” fragte ich. Blumenthal nickte.

„Das drüben ist er”, sagte ich und zeigte hinüber.

„Das sehe ich”, erwiderte Blumenthal.

Wir gingen über den Hof. Ich öffnete eine Tür des Wagens und ließ den Motor an. Dann schwieg ich, um Blumenthal Zeit zur Besichtigung zu lassen.

Aber Blumenthal besichtigte nicht. Er kritisierte auch nicht. Es blieb mir nichts übrig, ich musste aufs Geratewohl vom Leder ziehen.

Ich begann langsam und systematisch den Cadillac zu beschreiben wie eine Mutter ihr Kind, und versuchte dabei herauszukriegen, ob der Mann irgendetwas verstand. War er Fachmann, dann musste ich mehr auf Motor und Chassis gehen, – verstand er nichts, auf Komfort und Kinkerlitzchen.

Doch er verriet auch jetzt nichts. Er ließ mich reden, bis ich mir vorkam wie ein Luftballon.

„Machen wir eine Probefahrt, Herr Blumenthal”, schlug ich schließlich, schon stark abgekämpft, vor.

„Probefahrt?” erwiderte er, als hätte ich Bahnhof gesagt.

„Ja, Probefahrt. Sie müssen doch sehen, was der Wagen leistet.

„Ach, Probefahrten – “ er machte eine wegwerfende Handbewegung, „Probefahrten zeigen nichts. Was am Wagen fehlt, merkt man immer erst hinterher.”

„Na schön, dann nicht”, sagte ich und ließ alle Hoffnung fahren. Der Mann wollte nicht, das war klar.

Aber da wandte er sich plötzlich um, sah mir voll in die Augen und sagte leise und scharf und sehr rasch: „Was kostet der Wagen?”

„Siebentausend Mark”, erwiderte ich, ohne mit der Wimper zu zucken, wie aus der Pistole geschossen. Dieser Mann durfte nicht merken, dass ich auch nur einen Moment überlegte, das wusste ich. Jede Sekunde Zögern hätte tausend Mark gekostet, die er abgehandelt hätte. „Siebentausend Mark netto”, wiederholte ich fest und dachte: wenn du jetzt fünf bietest, hast du ihn weg.

Aber Blumenthal bot gar nichts. Er stieß nur ein kurzes Schnaufen aus. „Viel zu teuer!”

„Natürlich!” sagte ich und gab den Fall endgültig auf.

„Wieso natürlich?” fragte Blumenthal auf einmal ziemlich menschlich.

„Herr Blumenthal”, erwiderte ich, „haben Sie heutzutage schon mal jemand getroffen, der auf einen Preis was anderes antwortet?”

Er sah mich aufmerksam an. Dann zog so etwas wie der Schimmer eines Lächelns über sein Gesicht. „Stimmt. Aber der Wagen ist wirklich zu teuer.”

Ich traute meinen Ohren nicht. Da war er ja endlich, der richtige Ton! Der Ton des Interessenten! Oder war das wieder ein neuer verfluchter Dreh?

„Wenn Sie den Wagen einmal gefahren haben, werden Sie anders über den Preis denken”, sagte ich. „Sie können ihn gern solange probieren, wie Sie wollen. Vielleicht kann ich Sie auch abends zu einer Probefahrt abholen, wenn Ihnen das besser passt.”

Aber die flüchtige Regung war bereits verflogen. „Lassen Sie nur”, sagte er, „ich muss jetzt gehen. Wenn ich eine Probefahrt machen will, kann ich Ihnen ja noch telefonieren.”

Ich sah, dass vorläufig nichts weiter zu machen war. Dieser Mann war nicht zu bereden. „Gut, erklärte ich, „aber wollen Sie mir nicht Ihre Telefonnummer geben, damit ich Ihnen Bescheid sagen kann, wenn noch ein Interessent da ist?”

Blumenthal sah mich merkwürdig an. „Interessenten sind noch keine Käufer.”

Er gab mir freundlich die Hand und ging. Ich sah ihm nach und verfluchte ihn leise, aber gründlich. Dann ging ich zurück in die Werkstatt.

„Sie sind angerufen worden”, sagte Frida, das schielende Dienstmädchen Frau Zalewskis, als ich mittags auf einen Sprung nach Hause kam.

Ich drehte mich um. „Wann?”

„Vor ‘ner halben Stunde. War ‘ne Dame.”

„Was hat sie denn gesagt?”

„Sie will abends noch mal anrufen. Aber ich habe ihr gleich gesagt, es hätte nicht viel Zweck. Sie wären abends nie zu Hause.” Ich starrte sie an. „Was? Das haben Sie gesagt? Herrgott, wenn Ihnen doch mal jemand Telefonieren beibringen würde.”

„Ich kann telefonieren”, erklärte Frida pomadig. „Und zuhause sind Sie abends auch so gut wie nie.”

„Das geht Sie doch gar nichts an”, fluchte ich. „Nächstens erzählen Sie noch, ob ich Löcher in den Strümpfen habe.”

„Kann ich ja machen”, gab Frida zurück und sah mich hämisch mit ihren roten, entzündeten Augen an. Wir waren alte Feinde.

Ich hätte sie am liebsten in ihren Suppentopf gesteckt, beherrschte mich aber, griff in die Tasche, drückte ihr eine Mark in die Hand und fragte versöhnlich: „Hat die Dame nicht ihren Namen genannt?”

„Nee”, sagte Frida.

„Was hatte sie denn für eine Stimme? Ein bisschen dunkel und tief und so, als wäre sie etwas heiser?”

„Weiß ich nicht”, erklärte Frida so phlegmatisch, als hätte ich ihr nie eine Mark in die Hand gedrückt.

* * *

Abends um sechs Uhr war ich pünktlich zu Hause.

Zehn Minuten später klingelte das Telefon. Ich hörte meinen Namen und ging hinaus. „Entschuldigen Sie”, sagte ich verzweifelt in das Telefon, „ich kann Sie nicht verstehen, hier tobt ein Säugling; aber es ist nicht meiner.”

Ich war in einer schwierigen Lage; es war mir ein Rätsel, dass ich es fertigbrachte, mich trotzdem zum nächsten Abend zu verabreden.

* * *

Abends waren wir bei Gottfried verabredet. Ich aß in einer kleinen Kneipe und ging dann hin. Unterwegs kaufte ich mir im elegantesten Herrenmodegeschäft zur Feier des Tages eine prachtvolle neue Krawatte. Ich war immer noch überrascht, wie glatt alles gegangen war, und ich gelobte mir, morgen seriös zu sein wie der Generaldirektor eines Beerdigungsinstitutes.

Gottfrieds Bude war eine Sehenswürdigkeit. Sie hing voll von Reiseandenken, die er aus Südamerika mitgebracht hatte.

Außer Lenz und Köster waren Braumüller und Grau noch da. Theo Braumüller hockte mit sonnverbranntem, kupfernem Schädel auf der Sofalehne und musterte begeistert Gottfrieds photographische Sammlung. Er war Rennfahrer für eine Autofabrik und seit langem mit Köster befreundet. Am sechsten fuhr er das Rennen mit, zu dem Otto Karl gemeldet hatte.

Ferdinand Grau saß massig, aufgeschwemmt und ziemlich betrunken am Tisch. Als er mich sah, zog er mich mit seiner breiten Pratze zu sich heran. „Robby”, sagte er mit schwerer Stimme, „was willst du hier unter den Verlorenen? Du hast hier nichts zu suchen. Geh wieder weg. Rette dich. Du kannst es noch!”

Ich blickte zu Lenz hinüber. Er zwinkerte mir zu. „Ferdinand ist hoch in Form. Er versäuft seit zwei Tagen eine liebe Tote. Hat ein Porträt verkauft und gleich Geld bekommen.”

Ferdinand Grau war Maler. Dabei wäre er aber längst verhungert, wenn er nicht eine Spezialität gehabt hätte. Er malte nach Photographien fabelhaft lebensechte Porträts von Verstorbenen für pietätvolle Angehörige. Davon lebte er, – sogar ganz gut.

„Ein Gastwirt wars diesmal, Robby”, sagte er, „ein Gastwirt mit einer verstorbenen Erbtante in Essig und Öl.” Er schüttelte sich. „Schauderhaft.”

„Hör mal Ferdinand”, erwiderte Lenz, „du solltest nicht so harte Ausdrücke gebrauchen. Du lebst ja von einer der schönsten menschlichen Eigenschaften: von der Pietät.”

„Unsinn”, erklärte Grau, „ich lebe vom Schuldbewusstsein. Pietät ist nichts als Schuldbewusstsein. Man will sich rechtfertigen für das, was man dem lieben Verstorbenen bei Lebzeiten alles gewünscht und angetan hat.”

Ich kletterte über das Sofa zu Köster hinüber. Mir war plötzlich etwas eingefallen. „Otto, du musst mir mal einen Gefallen tun. Ich brauche morgen abend den Cadillac.”

Otto schloss die Augen bis auf einen kleinen Spalt und lächelte. „Gut, Robby; meinetwegen.”

„Brauchst du den Wagen vielleicht zu deiner neuen Krawatte?” fragte Lenz, der herangekommen war.

„Halt den Schnabel”, sagte ich und schob ihn beiseite. Aber er ließ nicht locker. „Zeig mal her, Baby!” Er befühlte die Seide. „Herrlich. Unser Kind als Gigolo. Mir scheint, du willst auf Brautschau!”

„Du kannst mich heute nicht beleidigen, du Verwandlungskünstler”, erwiderte ich.

„Brautschau?” Ferdinand Grau hob den Kopf. „Warum soll er denn nicht auf Brautschau gehen?” Er wurde lebhafter und wandte sich mir zu. „Tu’s ruhig, Robby! Du hast noch das Zeug dazu. Zur Liebe gehört eine gewisse Einfalt. Die hast du. Bewahre sie dir. Sie ist ein Gottesgeschenk. Nie wieder zu kriegen, wenn man sie mal verloren hat.

„Nimms dir nicht allzusehr zu Herzen”, grinste Lenz. „Dumm geboren werden ist keine Schande. Nur dumm sterben.”

„Schweig, Gottfried.” Grau wischte ihn mit einer Bewegung seiner mächtigen Tatze beiseite. „Auf dich kommts nicht an, du Etappenromantiker. Um dich ists nicht schade.”

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