© КАРО, 2004
Эрих Кестнер родился в 1899 году в Дрездене. Очень рано он начал мечтать о профессии учителя и в 14 лет стал посещать курсы для учителей. В 1917 году, ещё не окончив школы, он был призван на военную службу. Садистские методы военной муштры привели к тому, что юноша вернулся домой с тяжёлой сердечной недостаточностью. Вот как он сам пишет об этом времени:
«В 1917 году, когда некоторые из моих одноклассников уже погибли на Западном или Восточном фронте, я был призван в армию. До окончания школы оставалось ещё два года. Когда закончилась война, я вернулся домой с сердечным заболеванием. Родителям приходилось помогать мне подыматься по лестнице, мне, девятнадцатилетнему юноше, который так задыхался, что был не в состоянии сам подняться даже на одну ступеньку».
После войны Эрих Кестнер с отличием окончил гимназию в Дрездене и начал изучать германистику, философию и историю театра в университетах Лейпцига, Берлина и Ростока. В этот период Германия переживает страшный экономический кризис. Кестнер получает именную стипендию из родного города Дрездена, но инфляция растёт настолько быстро, что вскоре на стипендию можно купить разве что пачку сигарет. Будучи студентом, Кестнер работает журналистом и редактором и подрабатывает вместе с другими студентами в качестве ходячей рекламы. Иногда голодных студентов подкармливают богатые люди, присылают деньги американские студенты, поступает помощь из Швеции.
После защиты диссертации он снова работает журналистом и редактором. В 1928 году выходит его первая книга для детей «Эмиль и сыщики». Вскоре её переводят почти на двадцать языков мира. Эрих Кестнер становится мировой знаменитостью. За этой книгой быстро появляются многие другие книги Кестнера для взрослых и детей. Но наступает 1933год, к власти приходит Гитлер, и книги Кестнера, как и многих других немецких писателей-гуманистов, запрещаются и сжигаются на кострах. В течение 12лет Кестнеру запрещено заниматься литературной деятельностью. Несмотря на преследования и неоднократные аресты, Кестнер не хочет эмигрировать. Он остаётся на родине, но издаёт свои книги за границей. В 1942 году власти запрещают ему издавать книги и за границей.
После окончания войны Э. Кестнер поселяется в Мюнхене, работает редактором газеты «Neue Zeitung», участвует в создании двух кабаре, пишет для них скетчи и тексты песен. С 1946 года в Германии снова начинают издаваться его книги. Он становится лауреатом многих литературных премий, ему присваивают почётные звания. Мировой славе Эриха Кестнера во многом способствовала экранизация его очень добрых и увлекательно написанных книг для детей: «Близнецы» («Das doppellte Lottchen»), «Эмиль и сыщики» («Emil und Detektive»), «Кнопка и Антон» («Pьnktchen und Anton»). Они были переведены на многие языки. Две последние книги были переведены также и на русский язык.
Эрих Кестнер очень любил детей, и это больше, чем у кого-либо из детских писателей, ощущается в его произведениях, поскольку он умел описывать мысли и чувства ребёнка не с позиций взрослого, а так, как если бы он сам думал и чувствовал, как ребёнок. «Близнецы»– яркий пример тому. Свойство оставаться ребёнком будучи взрослым Эрих Кестнер особенно ценит в людях. Только тот, кто не забыл о своём детстве, не выбросил его на помойку как старую шляпу, кто помнит, кем он был в детстве и как стал взрослым, и есть для него настоящий человек.
В настоящее время книги Эриха Кестнера в Германии переживают своего рода Ренессанс. Они переиздаются большими тиражами и знакомят новое поколение, поколение XXI века, с его замечательным творчеством. Очень хочется, чтобы и русские дети испытали на себе благотворное влияние этого писателя.
Е.В. Юдина
Kennt ihr eigentlich Seebühl? Das Gebirgsdorf Seebühl? Seebühl am Bühlsee? Nein? Nicht? Merkwürdig – keiner, den man fragt, kennt Seebühl! Womöglich gehört Seebühl am Bühlsee zu den Ortschaften, die ausgerechnet nur jene Leute kennen, die man nicht fragte. Wundern würde mich’s nicht. So etwas gibt’s.
Nun, wenn ihr Seebühl am Bühlsee nicht kennt, könnt ihr natürlich auch das Kinderheim in Seebühl am Bühlsee nicht kennen, das bekannte Ferienheim für kleine Mädchen. Schade. Aber es macht nichts. Ferienheime ähneln einander; wer eines kennt, kennt sie alle. Und wer an ihnen vorüberspaziert, könnte denken, es seien riesengroße Bienenstöcke. Es summt von Gelächter, Geschrei, Getuschel und Gekicher. Solche Ferienheime sind Bienenstöcke des Kinderglücks und Frohsinns.
Freilich abends, da setzt sich der graue Zwerg Heimweh an die Betten im Schlafsaal, zieht sein graues Rechenheft und den grauen Bleistift aus der Tasche und zählt ernsten Gesichts die Kindertränen ringsum zusammen, die geweinten und die ungeweinten.
Aber am Morgen ist er verschwunden! Dann klappern die Milchtassen, dann plappern die kleinen Mäuler wieder um die Wette. Dann rennen wieder die Bademätze rudelweise in den kühlen, flaschengrünen See hinein, planschen, kreischen, schwimmen oder tun doch wenigstens, als schwömmen sie.
So ist’s auch in Seebühl am Bühlsee, wo die Geschichte anfängt, die ich euch erzählen will. Eine etwas verzwickte Geschichte. Und ihr werdet manchmal sehr gut aufpassen müssen, damit ihr alles haargenau versteht. Zu Beginn geht es allerdings noch ganz gemütlich zu. Verwickelt wird’s erst in den späteren Kapiteln. Verwickelt und ziemlich spannend.
Vorläufig baden sie alle im See, und am wildesten treibt es, wie immer, ein kleines neunjähriges Mädchen, das den Kopf voller Locken und Einfälle hat und Luise heißt, Luise Palfy. Aus Wien.
Da ertönt vom Hause her ein Gongschlag. Noch einer und ein dritter. Die Kinder und die Helferinnen, die noch baden, klettern ans Ufer.
„Der Gong gilt für alle!“, ruft Fräulein Ulrike. „Sogar für Luise!“
„Ich komm ja schon!“, schreit Luise. Und dann kommt sie tatsächlich.
Fräulein Ulrike treibt ihre schnatternde Herde vollzählig in den Stall, ach nein, ins Haus. Zwölf Uhr wird zu Mittag gegessen. Und dann wird neugierig auf den Nachmittag gewartet. Warum?
Am Nachmittag werden zwanzig „Neue“ erwartet. Zwanzig kleine Mädchen aus Süddeutschland. Werden ein paar Zieraffen dabei sein? Ein paar Klatschbasen? Womöglich uralte Damen von dreizehn oder gar vierzehn Jahren? Werden sie interessante Spielsachen mitbringen? Hoffentlich ist ein großer Gummiball drunter! Trudes Ball hat keine Luft mehr. Und Brigitte rückt ihren nicht heraus. Sie hat ihn im Schrank eingeschlossen. Ganz fest. Damit ihm nichts passiert. Das gibt’s auch.
Nun, am Nachmittag stehen also Luise, Trude, Brigitte und die anderen Kinder an dem großen, weit geöffneten eisernen Tor und warten gespannt auf den Autobus, der die Neuen von der nächsten Bahnstation abholen soll. Wenn der Zug pünktlich eingetroffen ist, müssten sie eigentlich…
Da hupt es!„Sie kommen!“ Der Omnibus rollt die Straße entlang, biegt vorsichtig in die Einfahrt und hält. Der Chauffeur steigt aus und hebt fleißig ein kleines Mädchen nach dem anderen aus dem Wagen. Doch nicht nur Mädchen, sondern auch Koffer und Taschen und Puppen und Körbe und Tüten und Stoffhunde und Roller und Schirmchen und Thermosflaschen und Regenmäntel und Rucksäcke und gerollte Wolldecken und Bilderbücher und Schmetterlingsnetze, eine kunterbunte Fracht.
Zum Schluss taucht, mit seinen Habseligkeiten, im Rahmen der Wagentür das zwanzigste kleine Mädchen auf. Der Chauffeur streckt bereitwillig die Arme hoch.
Die Kleine schüttelt den Kopf.„Danke, nein!“, sagt sie höflich und klettert, ruhig und sicher, das Trittbrett herab. Unten blickt sie verlegen lächelnd in die Runde. Plötzlich macht sie große, erstaunte Augen. Sie starrt Luise an! Nun reißt auch Luise die Augen auf. Erschrocken blickt sie der Neuen ins Gesicht!
Die anderen Kinder und Fräulein Ulrike schauen erstaunt von einer zur anderen. Der Chauffeur schiebt die Mütze nach hinten, kratzt sich am Kopf und kriegt den Mund nicht wieder zu. Weswegen denn?
Luise und die Neue sehen einander zum Verwechseln ähnlich! Zwar, eine hat lange Locken und die andere streng geflochtene Zöpfe – aber das ist auch wirklich der einzige Unterschied!
Da dreht sich Luise um und rennt, als werde sie von Löwen und Tigern verfolgt, in den Garten.
„Luise!“, ruft Fräulein Ulrike. „Luise!“ Dann zuckt sie die Achseln und bringt erst einmal die zwanzig Neulinge ins Haus. Als Letzte, zögernd und unendlich verwundert, spaziert das kleine Zopfmädchen.
Frau Muthesius, die Leiterin des Ferienheims, sitzt im Büro und berät mit der alten Köchin den Speisezettel für die nächsten Tage.
Da klopft es. Fräulein Ulrike tritt ein und meldet, dass die Neuen gesund, munter und vollzählig eingetroffen seien. „Freut mich. Danke schön!“
„Dann wäre noch eins…“
„Ja?“ Die vielbeschäftigte Heimleiterin blickt kurz hoch. „Es handelt sich um Luise Palfy“, beginnt Fräulein Ulrike nicht ohne Zögern. „Sie wartet draußen vor der Tür…“
„Herein mit dem Fratz!“ Frau Muthesius muss lächeln. „Was hat sie denn wieder angestellt?“ „Diesmal nichts“, sagt die Helferin. „Es ist bloß…“ Sie öffnet behutsam die Tür und ruft: „Kommt herein, ihr beiden! Nur keine Angst!“ Nun treten die zwei kleinen Mädchen ins Zimmer. Weit voneinander entfernt bleiben sie stehen. Während Frau Muthesius erstaunt auf die Kinder schaut, sagt Fräulein Ulrike: „Die Neue heißt Lotte Körner und kommt aus München.“
„Seid ihr miteinander verwandt?“
Die zwei Mädchen schütteln unmerklich, aber überzeugt die Köpfe.
„Sie haben einander bis zum heutigen Tage noch nie gesehen!“, meint Fräulein Ulrike. „Seltsam, nicht?“
„Wieso seltsam?“, fragt die Köchin. „Wo doch die eine aus München stammt und die andere aus Wien?“
Frau Muthesius sagt freundlich: „Zwei Mädchen, die einander so ähnlich schauen, werden sicher gute Freundinnen. Kommt, gebt euch die Hand!“
„Nein!“, ruft Luise und verschränkt die Arme hinter dem Rücken.
Frau Muthesius zuckt die Achseln, denkt nach und sagt:
„Ihr könnt gehen.“
Luise rennt zur Tür, reißt sie auf und stürmt hinaus. Lotte will langsam das Zimmer verlassen.
„Noch einen Augenblick, Lottchen“, meint die Leiterin. Sie schlägt ein großes Buch auf.
„Ich kann gleich deinen Namen eintragen. Und wann und wo du geboren bist. Und wie deine Eltern heißen.“
„Ich hab nur noch eine Mutti“, flüstert Lotte.
„Zuerst also dein Geburtstag!“
Lotte geht den Korridor entlang, steigt die Treppen hinauf, öffnet eine Tür und steht im Schrankzimmer. Ihr Koffer ist noch nicht ausgepackt. Sie fängt an, ihre Kleider, Hemden, Schürzen und Strümpfe in den Schrank zu tun.
Lotte hält die Fotografie einer jungen Frau in der Hand. Sie schaut das Bild zärtlich an und versteckt es sorgfältig unter den Schürzen. Als sie den Schrank schließen will, fällt ihr Blick auf einen Spiegel an der Innenwand der Tür. Ernst und forschend mustert sie sich, als sähe sie sich zum ersten Mal. Dann wirft sie plötzlich die Zöpfe weit nach und streicht das Haar so, dass es dem Schopf Luise Palfys ähnlich wird.
Irgendwo schlägt eine Tür. Schnell, wie ertappt, lässt Lotte die Hände sinken.
Luise hockt mit ihren Freundinnen auf der Gartenmauer und hat eine strenge Falte über der Nasenwurzel.
„Ich ließe mir das nicht gefallen“, sagt Trude, ihre Klassenkameradin.“Da kommt sie frech mit deinem Gesicht daher!“
„Was soll ich denn machen?“, fragt Luise böse.
„Zerkratz es ihr!“, schlägt Monika vor. „Das Beste wird sein, du beißt ihr die Nase ab!“, rät Christine. „Dann bist du den ganzen Ärger mit einem Schlag los!“ Dabei baumelt sie gemütlich mit den Beinen.
„Einem so die Ferien zu verhunzen!“, murmelt Luise, aufrichtig verbittert.
„Sie kann doch nichts dafür“, erklärt die pausbäckige Steffie. „Wenn nun jemand käme und sähe wie ich aus…“
Trude lacht. „Du glaubst doch selber nicht, dass jemand so blöd wäre, mit deinem Kopf herumzulaufen.“
Steffie schmollt. Die anderen lachen. Sogar Luise verzieht das Gesicht.
Da ertönt der Gong. Und die Mädchen springen von der Mauer herunter.
Frau Muthesius sagt im Speisesaal zu Fräulein Ulrike: „Wir wollen unsere kleinen Dop-pelgängerinnen nebeneinander setzen. Vielleicht hilft eine Radikalkur!“
Die Kinder strömen lärmend in den Saal. Stühle werden gerückt. Die Mädchen, die Dienst haben, tragen dampfende Terrinen zu den Tischen. Andere füllen die Teller. Fräulein Ulrike tritt hinter Luise und Trude, tippt leicht Trude auf die Schulter und sagt: „Du setzt dich neben Hilde Sturm.“
Trude dreht sich um und will etwas antworten. „Aber…“
„Keine Widerrede, ja?“ Trude zuckt die Achseln, steht auf und zieht unzufrieden um.
Die Löffel klappern. Der Platz neben Luise ist leer. Erstaunlich, wie viele Blicke ein leerer Platz auf sich lenken kann.
Dann schwenken, wie auf Kommando, alle Blicke zur Tür. Lotte ist eingetreten.
„Da bist du ja endlich“, sagt Fräulein Ulrike. „Komm, ich will dir deinen Platz zeigen.“ Sie bringt das stille, ernste Zopfmädchen zum Tisch. Luise blickt nicht hoch, sondern isst wütend ihre Suppe in sich hinein. Lotte setzt sich folgsam neben Luise und greift zum Löffel, obwohl ihr der Hals wie zugeschnürt ist.
Die anderen kleinen Mädchen schielen hingerissen zu dem merkwürdigen Paar hinüber. Ein Kalb mit zwei bis drei Köpfen könnte nicht interessanter sein. Der dicken, pausbäckigen Steffie steht vor lauter Spannung der Mund offen.
Luise kann sich nicht länger bezähmen. Und sie will’s auch gar nicht. Mit aller Kraft tritt sie unterm Tisch auf Lottes Fuß!
Lotte zuckt vor Schmerz zusammen und presst die Lippen fest aufeinander.
Am Tisch der Erwachsenen sagt die Helferin Gerda kopfschüttelnd: „Es ist nicht zu fassen! Zwei wildfremde Mädchen und eine solche Ähnlichkeit!“
Frau Muthesius schaut nachdenklich zu dem Tisch hinüber, an dem die zwei kleinen Mädchen sitzen. Dann sagt sie: „Lotte Körner bekommt das Bett neben Luise Palfy! Sie werden sich aneinander gewöhnen müssen.“
Es ist Nacht. Und alle Kinder schlafen. Bis auf zwei.
Diese zwei tun, als schliefen sie fest, liegen aber mit offenen Augen da und starren vor sich hin.
Luise blickt böse auf die silbernen Kringel, die der Mond auf ihr Bett malt. Plötzlich spitzt sie die Ohren. Sie hört leises, krampfhaft unterdrücktes Weinen.
Lotte presst die Hände auf den Mund. Was hatte ihr die Mutter beim Abschied gesagt: „Ich freue mich so, dass du ein paar Wochen mit vielen fröhlichen Kindern zusammen sein wirst! Du bist zu ernst für dein Alter, Lottchen! Viel zu ernst! Ich weiß, es liegt nicht an dir. Es liegt an mir. An meinem Beruf. Ich bin zu wenig zu Hause. Wenn ich heimkomme, bin ich müde. Und du hast inzwischen nicht gespielt wie andere Kinder, sondern gewaschen, gekocht, den Tisch gedeckt. Komm bitte fröhlich zurück, mein Hausmütterchen!“ Und nun liegt sie hier neben einem bösen Mädchen, das sie hasst, weil sie ihm ähnlich sieht. Sie seufzt leise und schluchzt vor sich hin. Plötzlich streicht eine kleine fremde Hand ihr Haar! Lottchen wird stocksteif vor Schreck. Vor Schreck? Luises Hand streichelt schüchtern weiter.
Der Mond schaut durchs große Schlafsaalfenster und staunt. Da liegen zwei kleine Mädchen nebeneinander, die sich nicht anzusehen wagen, und die eine, die eben noch weinte, tastet jetzt mit ihrer Hand ganz langsam nach der streichelnden Hand der anderen.
„Na gut“, denkt der alte silberne Mond. „Da kann ich ruhig untergehen!“ Und das tut er denn auch.