Wie Fabian seiner langen Rockschöße halber für einen Sektierer und Tumultuanten gehalten wurde. – Wie Fürst Barsanuph hinter den Kaminschirm trat und den Generaldirektor der natürlichen Angelegenheiten kassierte. – Zinnobers Flucht aus Mosch Terpins Hause. – Wie Mosch Terpin auf einem Sommervogel ausreiten und Kaiser werden wollte, dann aber zu Bette ging.
In der frühesten Morgendämmerung, als Wege und Straßen noch einsam, schlich sich Balthasar hinein nach Kerepes und lief augenblicklich zu seinem Freunde Fabian. Als er an die Stubentüre pochte, rief eine kranke matte Stimme: «Herein!»
Bleich – entstellt, hoffnungslosen Schmerz im Antlitz, lag Fabian auf dem Bette. «Um des Himmels willen,» rief Balthasar, «um des Himmels willen – Freund! sprich! – was ist dir widerfahren?»
«Ach Freund,» sprach Fabian mit gebrochener Stimme, indem er sich mühsam in die Höhe richtete, «mit mir ist es aus, rein aus. Der verfluchte Hexenspuk, den, ich weiß es, der rachsüchtige Prosper Alpanus über mich gebracht, stürzt mich ins Verderben!»
«Wie ist das möglich?» fragte Balthasar; «Zauberei, Hexenspuk, du glaubtest sonst an dergleichen nicht.»
«Ach,» fuhr Fabian mit weinerlicher Stimme fort, «ach, ich glaube jetzt an alles, an Zauberer und Hexen und Erdgeister und Wassergeister, an den Rattenkönig und die Alraunwurzel – an alles, was du willst. Wem das Ding so auf den Hals tritt wie mir, der gibt sich wohl! – Du erinnerst dich an den höllischen Skandal mit meinem Rocke, als wir von Prosper Alpanus kamen! – Ja! wär’ es nur dabei geblieben! – Sieh dich doch etwas um in meinem Zimmer, lieber Balthasar!»
Balthasar tat es und gewahrte an allen Wänden rings umher eine Unzahl von Fracks, Überröcken, Kurtken von allem möglichen Zuschnitt, von allen möglichen Farben. «Wie,» rief er, «willst du einen Kleiderkram anlegen, Fabian?»
«Spotte nicht,» erwiderte Fabian, «spotte nicht, lieber Freund. Alle diese Kleider ließ ich anfertigen von den berühmtesten Schneidern, immer hoffend, endlich einmal der unseligen Verdammnis zu entgehen, die auf meinen Röcken ruht, aber umsonst. Sowie ich den schönsten Rock, der mir steht wie angegossen an den Leib, nur einige Minuten trage, rutschen die Ärmel mir an die Schultern herauf, und die Schöße schwänzeln mir nach sechs Ellen lang. In der Verzweiflung ließ ich mir jenen Spenzer mit den eine Welt langen Pierrotsärmeln machen: ’Rutscht nur, Ärmel,’ dacht’ ich, ’dehnt euch nur aus, Schöße, so kommt alles ins Gleiche’: aber! – ganz dasselbe wie mit allen andern Röcken war es in wenigen Minuten! Alle Kunst und Kraft der mächtigsten Schneider richtete nichts aus gegen den verwünschten Zauber! Dass ich verhöhnt, verspottet wurde, wo ich mich nur blicken ließ, versteht sich von selbst, aber bald veranlasste meine unverschuldete Hartnäckigkeit, immer wieder in einem solch verteufelten Rock zu erscheinen, ganz andere Urteile. Das Geringste war noch, dass die Frauen mich grenzenlos eitel und abgeschmackt schalten, da ich aller Sitte entgegen mich durchaus mit nackten Armen, sie wahrscheinlich für sehr schön haltend, sehen lassen wolle. Die Theologen aber schrien mich bald für einen Sektierer aus, stritten sich nur, ob ich zur Sekte der Ärmelianer oder Schößianer zu rechnen, waren aber darin einig, dass beide Sekten höchst gefährlich zu nennen, da beide vollkommene Freiheit des Willens statuierten und sich erfrechten zu denken, was sie wollten. Diplomatiker hielten mich für einen schnöden Aufwiegler. Sie behaupteten, ich wolle durch meine langen Rockschöße Unzufriedenheit im Volke erregen und es aufsässig machen gegen die Regierung, gehöre überhaupt zu einem geheimen Bunde, dessen Zeichen ein kurzer Ärmel sei. Schon seit langer Zeit fänden sich hie und da Spuren der Kurzärmler, die ebenso zu fürchten als die Jesuiten, ja noch mehr, da sie sich bemühten, überall die jedem Staate schädliche Poesie einzuführen, und an der Infallibilität der Fürsten zweifelten. Kurz! – das Ding wurde ernster und ernster, bis mich der Rektor zitieren ließ. Ich sah mein Unglück vorher, wenn ich einen Rock anzog, erschien also in der Weste. Darüber wurde der Mann zornig, er glaubte, ich wolle ihn verhöhnen, und fuhr auf mich los, ich solle binnen acht Tagen in einem vernünftigen anständigen Rock vor ihm erscheinen, widrigenfalls er ohne alle Gnade die Relegation über mich aussprechen würde. – Heute geht der Termin zu Ende! – O ich Unglücklicher! – O verdammter Prosper Alpanus!»
«Halt ein,» rief Balthasar, «halt ein, lieber Freund Fabian, schmäle nicht auf meinen teuern lieben Oheim, der mir ein Landgut geschenkt hat. Auch mit dir meint er es gar nicht so böse, ungeachtet er, ich muss es gestehen, den Vorwitz, womit du ihm begegnetest, zu hart gestraft hat. – Doch ich bringe Hülfe! – er sendet dir dies Döschen, welches alle deine Leiden enden soll.»
Damit zog Balthasar das kleine schildkrötene Döschen, welches er von Prosper Alpanus erhalten, aus der Tasche und überreichte es dem trostlosen Fabian.
«Was soll,» Sprach dieser, «was soll mir denn der dumme Quark helfen? wie kann ein kleines schildkrötenes Döschen Einfluss haben auf die Gestaltung meiner Röcke?»
«Das weiß ich nicht,» erwiderte Balthasar, «aber mein lieber Oheim kann und wird mich nicht täuschen, ich habe das vollste Zutrauen zu ihm; darum öffne nur die Dose, lieber Fabian, wir wollen sehen, was darin enthalten.»
Fabian tat es – und aus der Dose quoll ein herrlich gemachter schwarzer Frack von dem feinsten Tuche hervor. Beide, Fabian und Balthasar, konnten sich des lauten Ausrufs der höchsten Verwunderung nicht erwehren.
«Ha, ich verstehe dich,» rief Balthasar begeistert, «ha, ich verstehe dich, mein Prosper, mein teurer Oheim! Dieser Rock wird passen, wird allen Zauber lösen.»
Fabian zog den Rock ohne weiteres an, und was Balthasar geahnet, traf wirklich ein. Das schöne Kleid saß dem Fabian, wie noch niemals ihm eins gesessen, und an Rutschen der Ärmel, an Verlängerung der Schöße war nicht zu denken.
Ganz außer sich vor Freude, beschloss Fabian nun sogleich in seinem neuen wohlpassenden Rock zum Rektor hinzulaufen und alles ins Gleiche zu bringen.
Balthasar erzählte nun seinem Freunde Fabian ausführlich, wie sich alles begeben mit Prosper Alpanus, und wie dieser ihm die Mittel in die Hand gegeben, dem heillosen Unwesen des missgestalteten Däumlings ein Ende zu machen. Fabian, der ein ganz anderer worden, da ihn alle Zweifelsucht ganz verlassen, rühmte Prospers hohen Edelmut über alle Maßen und erbot sich, bei Zinnobers Entzauberung hülfreiche Hand zu leisten. In dem Augenblick gewahrte Balthasar aus dem Fenster seinen Freund, den Referendarius Pulcher, der ganz trübsinnig um die Ecke schleichen wollte.
Fabian steckte auf Balthasars Geheiß den Kopf zum Fenster heraus und winkte und rief dem Referendarius zu, er möge doch nur gleich heraufkommen.
Sowie Pulcher eintrat, rief er gleich: «Was hast du denn für einen herrlichen Rock an, lieber Fabian!» Dieser sagte aber, Balthasar werde ihm alles erklären, und lief fort zum Rektor.
Als nun Balthasar dem Referendarius alles ausführlich erzählt, was sich zugetragen, sprach dieser. «Gerade an der Zeit ist es nun, dass der abscheuliche Unhold tot gemacht wird. Wisse, dass er heute seine feierliche Verlobung mit Candida feiert, dass der eitle Mosch Terpin ein großes Fest gibt, wozu er selbst den Fürsten geladen. Gerade bei diesem Feste wollen wir eindringen in des Professors Haus und den Kleinen überfallen. An Lichtern im Saal wird’s nicht fehlen zum augenblicklichen Verbrennen der feindseligen Haare.»
Noch manches hatten die Freunde gesprochen und miteinander verabredet, als Fabian eintrat mit vor Freude glänzendem Gesicht.
«Die Kraft,» sprach er, «die Kraft des Rocks, der der schildkrötenen Dose entquollen, hat sich herrlich bewährt. Sowie ich eintrat bei dem Rektor, lächelte er zufrieden. ’Ha’ redete er mich an, ’ha! – ich gewahre, mein lieber Fabian, dass Sie zurückgekommen sind von Ihrer seltsamen Verirrung! – Nun! Feuerköpfe wie Sie lassen sich leicht hinreißen zu dem Extremen! – Für religiöse Schwärmerei habe ich Ihr Beginnen niemals gehalten – mehr falsch verstandener Patriotismus – Hang zum Außerordentlichen, gestützt auf das Beispiel der Heroen des Altertums. – Ja, das lasse ich gelten, solch ein schöner, wohlpassender Rock! – Heil dem Staate, Heil der Welt, wenn hochherzige Jünglinge solche Röcke tragen, mit solchen passenden Ärmeln und Schößen. Bleiben Sie treu, Fabian, bleiben Sie treu solcher Tugend, solchem wackren Sinn, daraus entsprosst wahre Heldengröße!’ – Der Rektor umarmte mich, indem helle Tränen ihm in die Augen traten. Selbst weiß ich nicht, wie ich dazu kam, die kleine schildkrötene Dose, aus der der Rock entstanden und die ich nun in dessen Tasche gesteckt, hervorzuziehen. ’Bitte!’ sprach der Rektor, indem er Daum und Zeigefinger zusammenspitzte. Ohne zu wissen, ob wohl Tabak darin enthalten, klappte ich die Dose auf. Der Rektor griff hinein, schnupfte, fasste meine Hand, drückte sie stark, Tränen liefen ihm über die Wangen; er sprach tiefgerührt: ’Edler Jüngling! – eine schöne Prise! – Alles ist vergeben und vergessen, speisen Sie bei mir heut mittags!’ – Ihr seht, Freunde, all mein Leiden hat ein Ende, und gelingt uns heute, wie es anders gar nicht zu erwarten steht, die Entzauberung Zinnobers, so seid auch ihr fortan glücklich!»
In dem mit hundert Kerzen erleuchteten Saal stand der kleine Zinnober im scharlachroten gestickten Kleide, den großen Orden des grüngefleckten Tigers mit zwanzig Knöpfen umgetan, Degen an der Seite, Federhut unterm Arm. Neben ihm die holde Candida bräutlich geschmückt, in aller Anmut und Jugend strahlend. Zinnober hatte ihre Hand gefasst, die er zuweilen an den Mund drückte und dabei recht widrig grinste und lächelte. Und jedesmal überflog dann ein höheres Rot Candidas Wangen, und sie blickte den Kleinen an mit dem Ausdruck der innigsten Liebe. Das war denn wohl recht graulich anzusehen, und nur die Verblendung, in die Zinnobers Zauber alle versetzte, war schuld daran, dass man nicht, ergrimmt über Candidas heillose Verstrickung, den kleinen Hexenkerl packte und ins Kaminfeuer warf. Rings um das Paar im Kreise in ehrerbietiger Entfernung hatte sich die Gesellschaft gesammelt. Nur Fürst Barsanuph stand neben Candida und mühte sich, bedeutungsvolle gnädige Blicke umherzuwerfen, auf die indessen niemand sonderlich achtete. Alles hatte nur Auge für das Brautpaar und hing an Zinnobers Lippen, der hin und wieder einige unverständliche Worte schnurrte, denen jedesmal ein leises Ach! der höchsten Bewunderung, das die Gesellschaft ausstieß, folgte.
Es war an dem, dass die Verlobungsringe gewechselt werden sollten. Mosch Terpin trat in den Kreis mit einem Präsentierteller, auf dem die Ringe funkelten. Er räusperte sich – Zinnober hob sich auf den Fußspitzen so hoch als möglich, beinahe reichte er der Braut an den Ellbogen. – Alles stand in der gespanntesten Erwartung – da lassen sich plötzlich fremde Stimmen hören, die Türe des Saals springt auf, Balthasar dringt ein, mit ihm Pulcher – Fabian! – Sie brechen durch den Kreis – «Was ist das, was wollen die Fremden?» ruft alles durcheinander.
Fürst Barsanuph schreit entsetzt: «Aufruhr – Rebellion – Wache!» und springt hinter den Kaminschirm. – Mosch Terpin erkennt den Balthasar, der dicht bis zum Zinnober vorgedrungen, und ruft: «Herr Studiosus! – Sind Sie rasend – sind Sie von Sinnen? – wie können Sie sich unterstehen, hier einzudringen in die Verlobung! – Leute – Gesellschaft – Bediente, werft den Grobian zur Türe hinaus!»
Aber ohne sich nur im mindesten an irgend etwas zu kehren, hat Balthasar schon Prospers Lorgnette hervorgezogen und richtet durch dieselbe den festen Blick auf Zinnobers Haupt. Wie vom elektrischen Strahl getroffen, stößt Zinnober ein gellendes Katzengeschrei aus, dass der ganze Saal widerhallt. Candida fällt ohnmächtig auf einen Stuhl; der eng geschlossene Kreis der Gesellschaft stäubt auseinander. – Klar vor Balthasars Augen liegt der feuerfarbglänzende Haarstreif, er spring zu auf Zinnober – fasst ihn, der strampelt mit den Beinchen und sträubt sich und kratzt und beißt.
«Angepackt – angepackt!» ruft Balthasar; da fassen Fabian und Pulcher den Kleinen, dass er sich nicht zu regen und zu bewegen vermag, und Balthasar fasst sicher und behutsam die roten Haare, reißt sie mit einem Ruck vom Haupte herab, springt an den Kamin, wirft sie ins Feuer, sie prasseln auf, es geschieht ein betäubender Schlag, alle erwachen wie aus dem Traum. – Da steht der kleine Zinnober, der sich mühsam aufgeraft von der Erde, und schimpft und schmält und befiehlt, man solle die frechen Ruhestörer, die sich an der geheiligten Person des ersten Ministers im Staate vergriffen, sogleich packen und ins tiefste Gefängnis werfen! Aber einer frägt den andern: «Wo kommt denn mit einemmal der kleine purzelbäumige Kerl her? – was will das kleine Ungetüm?» – Und wie der Däumling immerfort tobt und mit den Füßchen den Boden stampft und immer dazwischen ruft: «Ich bin der Minister Zinnober – ich bin der Minister Zinnober – der grüngefleckte Tiger mit zwanzig Knöpfen!» da bricht alles in ein tolles Gelächter aus. Man umringt den Kleinen, die Männer heben ihn auf und werfen sich ihn zu wie einen Fangball; ein Ordensknopf nach dem andern springt ihm vom Leibe – er verliert den Hut – den Degen, die Schuhe. – Fürst Barsanuph kommt hinter dem Kaminschirm hervor und tritt hinein mitten in den Tumult. Da kreischt der Kleine: «Fürst Barsanuph – Durchlaucht – retten Sie Ihren Minister – Ihren Liebling! – Hülfe – Hülfe – der Staat ist in Gefahr – der grüngefleckte Tiger – Weh – weh!» – Der Fürst wirft einen grimmigen Blick auf den Kleinen und schreitet dann rasch vorwärts nach der Türe. Mosch Terpin kommt ihm in den Weg, den fasst er, zieht ihn in die Ecke und spricht mit zornfunkelnden Augen: «Sie erdreisten sich, Ihrem Fürsten, Ihrem Landesvater hier eine dumme Komödie vorspielen zu wollen? – Sie laden mich ein zur Verlobung Ihrer Tochter mit meinem würdigen Minister Zinnober, und statt meines Ministers finde ich hier eine abscheuliche Missgeburt, die Sie in glänzende Kleider gesteckt? – Herr, wissen Sie, dass das ein landesverräterischer Spaß ist, den ich strenge ahnden würde, wenn Sie nicht ein ganz alberner Mensch wären, der ins Tollhaus gehört. – Ich entsetze Sie des Amts als Generaldirektor der natürlichen Angelegenheiten und verbitte mir alles weitere Studieren in meinem Keller! – Adieu!»
Dann stürmte er fort.
Aber Mosch Terpin stürzte zitternd vor Wut los auf den Kleinen, fasste ihn bei den langen struppigen Haaren und rannte mit ihm hin nach dem Fenster: «Hinunter mit dir,» schrie er, «hinunter mit dir, schändliche heillose Missgeburt, die mich so schmachvoll hintergangen, mich um alles Glück des Lebens gebracht hat!»
Er wollte den Kleinen hinabstürzen durch das geöffnete Fenster, doch der Aufseher des zoologischen Kabinetts, der auch zugegen, sprang mit Blitzesschnelle hinzu, fasste den Kleinen und entriss ihn Mosch Terpins Fäusten. «Halten Sie ein,» sprach der Aufseher, «halten Sie ein, Herr Professor, vergreifen Sie sich nicht an fürstlichem Eigentum. Es ist keine Missgeburt, es ist der Mycetes Belzebub, Simia Belzebub, der dem Museo entlaufen.» «Simia Belzebub – Simia Belzebub!» ertönte es von allen Seiten unter schallendem Gelächter. Doch kaum hatte der Aufseher den Kleinen auf den Arm genommen und ihn recht angesehen, als er unmutig ausrief: «Was sehe ich! – das ist ja nicht Simia Belzebub, das ist ja ein schnöder hässlicher Wurzelmann! Pfui! – pfui.»
Und damit warf er den Kleinen in die Mitte des Saals. Unter dem lauten Hohngelächter der Gesellschaft rannte der Kleine quiekend und knurrend durch die Türe fort die Treppe herab – fort, fort nach seinem Hause, ohne dass ihn ein einziger von seinen Dienern bemerkt.
Währenddessen, dass sich dies alles im Saale begab, hatte sich Balthasar in das Kabinett entfernt, wo man, wie er wahrgenommen, die ohnmächtige Candida hingebracht. Er warf sich ihr zu Füßen, drückte ihre Hände an seine Lippen, nannte sie mit den süßesten Namen. Sie erwachte endlich mit einem tiefen Seufzer, und als sie den Balthasar erblickte, da rief sie voll Entzücken:
«Bist du endlich – endlich da, mein geliebter Balthasar! Ach, ich bin ja beinahe vergangen vor Sehnsucht und Liebesschmerz! – und immer erklangen mir die Töne der Nachtigall, von denen berührt, der Purpurrose das Herzblut entquillt!»
Nun erzählte sie, alles, alles um sich her vergessend, wie ein böser abscheulicher Traum sie verstrickt, wie es ihr vorgekommen, als habe sich ein hässlicher Unhold an ihr Herz gelegt, dem sie ihre Liebe schenken müssen, weil sie nicht anders gekonnt. Der Unhold habe sich zu verstellen gewusst, dass er ausgesehen wie Balthasar; und wenn sie recht lebhaft an Balthasar gedacht, habe sie zwar gewusst, dass der Unhold nicht Balthasar, aber dann sei es ihr wieder auf unbegreifliche Weise gewesen, als müsse sie den Unhold lieben, eben um Balthasars willen.
Balthasar klärte ihr so viel auf, als es geschehen konnte, ohne ihre ohnehin aufgeregten Sinne ganz und gar zu verwirren. Dann folgten, wie es unter Liebesleuten nicht anders zu geschehen pflegt, tausend Versicherungen, tausend Schwüre ewiger Liebe und Treue. Und dabei umfingen sie sich und drückten sich mit der Inbrunst der innigsten Zärtlichkeit an die Brust und waren ganz und gar umflossen von aller Wonne, von allem Entzücken des höchsten Himmels.
Mosch Terpin trat ein, händeringend und lamentierend, mit ihm kamen Pulcher und Fabian, die immerfort, jedoch vergebens trösteten.
«Nein,» rief Mosch Terpin, «nein, ich bin ein total geschlagener Mann! – nicht mehr Generaldirektor der natürlichen Angelegenheiten im Staate. – Kein Studium mehr im fürstlichen Keller – die Ungnade des Fürsten – ich gedachte Ritter zu werden des grüngefleckten Tigers, wenigstens mit fünf Knöpfen. – Alles aus! – Was wird nur Se. Exzellenz der würdige Minister Zinnober dazu sagen, wenn er hört, dass ich eine schnöde Missgeburt, den Simia Belzebub cauda prehensili, oder was weiß ich sonst, für ihn gehalten! – O Gott, auch sein Hass wird auf mich lasten! – Alikante! – Alikante!»
«Aber, bester Professor,» trösteten die Freunde – «verehrter Generaldirektor, bedenken Sie doch nur, dass es gar keinen Minister Zinnober mehr gibt! – Sie haben sich ganz und gar nicht vergriffen,der ungestaltete Knirps hat vermöge der Zaubergabe, die er von der Fee Rosabelverde erhalten, Sie ebensogut getäuscht, wie uns alle!»
Nun erzählte Balthasar, wie sich alles begeben von Anfang an. Der Professor horchte und horchte, bis Balthasar geendet, da rief er: «Wach’ ich! – träum’ ich – Hexen – Zauberer – Feen – magische Spiegel – Sympathien – soll ich an den Unsinn glauben?»
«Ach liebster Herr Professor,» fiel Fabian ein, «hätten Sie nur eine Zeitlang einen Rock getragen mit kurzen Ärmeln und langer Schleppe, so wie ich, Sie würden schon an alles glauben, dass es eine Lust wäre!»
«Ja,» rief Mosch Terpin, «ja, es ist alles so – ja! – ein verhextes Untier hat mich getäuscht – ich stehe nicht mehr auf den Füßen – ich schwebe auf zur Decke – Prosper Alpanus holt mich ab – ich reite aus auf einem Sommervogel – ich lass mich frisieren von der Fee Rosabelverde – von dem Stiftsfräulein Rosenschön, und werde Minister! – König – Kaiser!»
Und damit sprang er im Zimmer umher und schrie und juchzte, dass alle für seinen Verstand fürchteten, bis er ganz erschöpft in einen Lehnsessel sank. Da nahten sich ihm Candida und Balthasar. Sie sprachen davon, wie sie sich so innig, so über alles liebten, wie sie gar nicht ohne einander leben könnten, und das war recht wehmütig anzuhören, weshalb Mosch Terpin auch wirklich etwas weinte. «Alles,» sprach er schluchzend, «alles, was ihr wollt, Kinder! – heiratet euch, liebt euch – hungert zusammen, denn ich gebe der Candida keinen Groschen mit» -
Was das Hungern beträfe, sprach Balthasar lächelnd, so hoffe er morgen den Herrn Professor zu überzeugen, dass davon wohl niemals die Rede sein könne, da sein Oheim Prosper Alpanus hinlänglich für ihn gesorgt.
«Tue das,» sprach der Professor matt, «tue das, mein lieber Sohn, wenn du kannst, und zwar morgen; denn soll ich nicht in Wahnsinn verfallen, soll mir der Kopf nicht zerspringen, so muss ich sofort zu Bette gehen!»
Er tat das wirklich auf der Stelle.