“Nun bindet ab die Helme;” sprach Hagen der Degen,
“Ich und mein Geselle der Wache wollen pflegen:
Versuchen es noch einmal die in Etzels Bann,
So warn ich meine Herren so schnell als ich immer kann.” (2148)
Da band den Helm vom Haupte mancher Ritter gut;
Sie setzten auf die Wunden sich nieder, die ins Blut
Waren zum Tode von ihrer Hand gekommen:
Da ward der edeln Gäste mit Erbittrung wahrgenommen. (2149)
Noch vor dem Abend schuf der König hehr
Und Kriemhild die Königin, dass es der Helden mehr
Von Heunland noch versuchten; man sah vor ihnen stehn
Wohl noch zwanzigtausend: Die mussten nun zum Streite gehn. (2150)
Da hob ein hartes Stürmen auf zu den Gästen an.
Dankwart, Hagens Bruder, dieser schnelle Mann,
Sprang von seinen Herren zu den Feinden vor die Tür:
Man wähnt', er sei erstorben, doch kam er heil noch hinfür. (2151)
Das harte Streiten währte bis es die Nacht benahm.
Da wehrten sich die Gäste wie Helden lobesam
Wider Etzels Recken den sommerlangen Tag:
Hei! Wie da vor ihnen manch guter Degen erlag! (2152)
Zu einer Sonnenwende geschah der große Mord:
Ihres Herzens Jammer rächte Kriemhild dort
An ihren nächsten Freunden und noch an manchem Mann,
Wodurch der König Etzel nie wieder Freude gewann. (2153)
* Sie hatte nicht gesonnnen auf solche Mörderschlacht:
Als sie den Streit begonnen hatte sie gedacht,
Hagen sollt alleine dabei sein Ende sehn;
Da schuf der böse Teufel, über alle musst es ergehn. (2154)
Der Tag war zerronnen; ihnen schuf die Sorge Not.
Sie gedachten, wie doch besser wär ein kurzer Tod
Als sich so lang zu quälen in ungefügem Leid:
Da wünschten einen Frieden die stolzen Ritter allbereit. (2155)
Sie hatten, dass der König zu ihnen würd gebracht.
Die Helden, rot von Blute, schwarz von der Eisentracht,
Traten aus dem Hause und die drei Könge hehr.
Sie wussten nicht, wem klagen ihres großen Leids Beschwer. (2156)
Etzel und Kriemhilde, die kamen beide hek;
Das Land war ihnen eigen, drum mehrte sich ihr Heer.
Er sprach zu den Gästen: “Sprecht, was begehrt ihr mein?
Wollt ihr Frieden haben? Das könnte nun schwerlich sein (2157)
Nach so großem Schaden als ihr mir habt getan.
Ihr sollt es nicht genießen so lang ich atmen kann:
Mein Kind, das ihr erschluget und viel der Freunde mein;
Frieden und Sühne soll euch dafür geweigert sein.” (2158)
Antwort gab ihm Gunther: “Uns zwang die große Not;
All mein Gesinde lag von dem deinen tot
An der Herberge: Verdient ich solchen Sold?
Ich kam zu dir auf Treue und wähnte, du wärst mir hold.” (2159)
Da sprach von Burgonden Geiselher das Kind:
“Ihr Helden König Etzels, die noch am Leben sind,
Wes zeiht ihr mich, ihr Recken? Was hat ich euch getan,
Der ich die Fahrt so gütlich zu diesem Lande begann?” (2160)
Sie sprachen: “Deiner Güte ist all die Veste voll
Mit Jammer, gleich dem Lande; wir gönnten dir es wohl,
Wärst du nie gekommen von Wormes überrhein:
Durch dich ist ganz verwaiset das Land und durch die Brüder dein.” (2161)
Da sprach zu dem Könige Gernot der Degen gut:
“So soll euch Gott gebieten, dass ihr die Lieb uns tut:
Erschlagt uns Heimatlose, und lasst uns zu euch gehn
Hinunter ins Freie, gewiss, das würd euch löblich stehn. (2162)
“Was uns geschehn könne, das lasst bald ergehn:
Ihr habt so viel Gesunde, die dürfen uns bestehn
Und geben uns vom Streite Müden leicht den Tod:
Wie lange sollen wir Recken bleiben in so grimmer Not?” (2163)
Von König Etzels Recken wär es fast geschehn,
Dass sie die Helden ließen vor den Pallas gehn.
Als das Kriemhild hörte, es war ihr grimmig leid;
Da war den Heimatlosen mit Nichten Friede bereit. (2164)
“Nicht doch, ziere Recken, worauf euch sinnt der Mut,
Ich will euch treulich raten, dass ihr das nimmer tut,
Dass ihr die Mordgiergen lasst vor den Saal;
Sonst müssen eure Freunde vor ihnen sterben zumal. (2165)
Und lebten nur alleine die Utens Söhne sind,
Und kämen meine edeln Brüder an den Wind,
Dass sie die Panzer kühlten, ihr alle wärt verloren:
Es wurden kühnre Degen noch nie auf Erden geboren.” (2166)
Da sprach der junge Geiselher: “Viel schöne Schwester mein,
Wie mocht ich mich versehn, dass du mich überrhein
Hieher geladen hättest zu so großer Not?
Wodurch wohl verdient' ich hier bei den Heunen den Tod? (2167)
Getreu war ich dir immer, tat Leid dir nimmermehr:
Ich ritt auch in dem Wahne zu diesem Hofe her,
Du wärest mir gewogen, viel liebe Schwester mein.
Nun schenk uns deine Gnade: Es kann doch anders nicht sein.” (2168)
“Ich schenk euch keine Gnade, Ungnad ich selbst gewann:
Mir hat von Tronje Hagen so großes Leid getan
Daheim, und hier zu lande erschlug er mir mein Kind:
Sie sollens all entgelten, die mit euch hergekommen sind. (2169)
Wollt ihr mir aber Hagen allein zum Geisel geben,
So will ichs nicht versagen, dass ich euch lasse leben,
Denn eure Schwester bin ich, der gleichen Mutter Kind:
So red ich um die Sühne mit den Helden, die hier sind.” (2170)
“Verhüt es Gott vom Himmel,” sprach da Gernot,
“Und wären unser tausend, wir wollten alle tot
Vor deinen Freunden liegen eh wir den einen Mann
Dir als Geisel gäben: Das wird nimmer getan.” (2171)
“Wir müssen doch ersterben,” sprach da Geiselher,
“So soll uns niemand scheiden von ritterlicher Wehr.
Wer gerne mit uns föchte, wir sind noch immer hie:
Verriet ich meine Treue an einem Freunde doch nie.” (2172)
Da sprach der kühne Dankwart: “Wie ziemte Schweigen mir?
Es steht mein Bruder Hagen noch nicht alleine hier.
Die uns Frieden weigern, mögens noch beklagen:
Ihr sollt es inne werden: Das will ich wahrlich euch sagen.” (2173)
Da sprach die Königstochter: “Ihr Helden allbereit,
Nun geht der Stiege näher und rächet unser Leid,
Das will ich euch vergelten wie ich billig soll:
Den Übermut Hagens, den benehm ich ihm wohl. (2174)
“Lässt keinen aus dem Hause der Degen allzumal.
So lass ich an vier Enden zünden an den Saal:
So wird noch wohl gerochen all mein Herzeleid.”
König Etzels Recken sah man bald dazu bereit. (2175)
Dir noch draußen standen trieb man in den Saal
Mit Schlägen und mit Schüssen; da gab es lauten Schall
Doch wollten sich nicht scheiden die Fürsten und ihr Heer:
Sie ließen von der Treue zueinander nun nicht mehr. (2176)
Den Saal in Brand zu stecken gebot da Etzels Weib.
Da quälte man den Helden mit Feuersglut den Leib.
Das Haus vom Wind ergriffen geriet in hohen Brand:
Solcher Schrecken wurde wohl niemals Helden bekannt. (2177)
Darinnen riefen viele: “O weh dieser Not!
Da möchten wir ja lieber im Sturme liegen tot.
Das möge Gott erbarmen; wie verlieren wir den Leib!
Wie grimmig rächt ihr Zürnen an uns des Königes Weib!” (2178)
Da sprach darinnen einer: “Wir finden hier den Tod.
Was hat der Gruß geholfen, den uns der König bot?
Mir tut vor starker Hitze der Durst so grimmig weh,
Ich fürchte, mein Leben in diesen Nöten zergeh!” (2179)
Da begann von Tronje Hagen, der Ritter gut:
“Wen der Durst bezwingen will, der trinke hier das Blut,
Das ist in solcher Hitze besser noch als Wein;
Zu essen und zu trinken kann hier nichts anderes sein.” (2180)
Hinging der Recken einer, wo er einen Toten fand,
Er kniet' ihm zu der Wunde, den Helm er nieder band;
Da hub er an zu trinken das fließende Blut:
So wenig ers gewohnt war, er fand es köstlich und gut. (2181)
“Nun lohn euch Gott, Herr Hagen,” sprach der müde Mann,
“Dass ich durch eure Lehre so guten Trunk gewann:
Man schenkte mir noch selten einen bessern Wein.
Leb ich noch eine Weile, ich will euch stets gewogen sein.” (2182)
Als das die andern hörten, es dünkte ihn so gut,
Da kamen ihrer viele und tranken auch das Blut.
Davon gewann viel Kräfte der guten Helden Leib:
Das entgalt an lieben Freunden bald manches waidliche Weib. (2183)
Das Feuer fiel gewaltig auf sie in den Saal:
Sie wandten mit den Schilden es von sich ab im Fall.
Der Rauch und auch die Hitze schmerzten sie gar sehr:
Also großer Jammer geschieht wohl Helden nimmer mehr. (2184)
Da sprach von Tronje Hagen: “Stellt euch an die Wand;
Lasst nicht die Brände fallen auf eurer Helme Band,
Und tretet mit den Füßen sie tiefer in das Blut:
Eine üble Hochzeit ist es, zu der die Königin uns lud.” (2185)
Unter solchen Nöten zerronnen war die Nacht:
Noch hielt vor dem Hause der kühne Spielmann Wacht
Und Hagen sein Geselle, gelehnt auf Schildesrand,
Noch größern Leids gewärtig vor denen aus Etzels Land. (2186)
* Dass der Saal gewölbt war, half den Gästen sehr.
Dadurch bleiben ihrer am Leben desto mehr;
Nur dass sie an den Fenstern vom Feuer litten Not.
Da wehrten sich die Degen wie Mut und Ehre gebot. (2187)
Da sprach der Fiedelspieler: “Nun lasst uns in den Saal,
So wähnen wohl die Heunen, wir seien allzumal
Von der Qual erstorben, die sie uns angetan:
Dann kommen doch noch manche zum Streit mit ihnen heran.” (2188)
Da sprach von Burgonden Geiselher das Kind:
“Mich dünkt, es wolle tagen, sich hebt ein kühler Wind.
Nun lass uns Gott vom Himmel noch liebre Zeit erleben!
Eine arge Hochzeit hat uns meine Schwester Kriemhild gegeben.” (2189)
Da sprach wieder einer: “Ich fühle schon den Tag.
Wenn es denn uns Degen nicht besser werden mag,
So waffnet euch, ihr Recken, und wahret euern Leib:
Wohl naht uns ehstens wieder hier des König Etzel Weib.” (2190)
Der Wirt mochte wähnen, die Gäste wären tot
Von ihren Drangsalen und von des Feuers Not:
Da lebten drin so kühner noch sechshundert Mann,
Dass wohl nie ein König bessre Degen gewann. (2191)
Der Heimatlosen Hüter hatten wohl gesehn,
Dass noch die Gäste lebten, was ihnen auch geschehn
Zu Schaden war und Leibe, den Herrn und ihrem Lehn:
Man sah sie wohl geborgen im Saale auf und nieder gehn. (2192)
Man sagte Kriemhilden, noch viele lebten drin.
“Wie wäre das möglich,” sprach die Königin,
“Dass noch einer lebte nach solcher Feuersnot?
Lieber will ich glauben, sie starben alle den Tod.” (2193)
Noch wünschten zu entkommen die Fürsten und ihr Lehn,
Wenn noch jemand Gnade an ihnen ließ ergehn.
Die konnten sie nicht finden in der Heunen Land:
Da rächten sie ihr Sterben mit gar williger Hand. (2194)
Noch früh am selben Morgen man ihnen Grüße bot
Mit lautem Kriegsrufe: Wohl schuf das Helden Not.
Zu ihnen aufgeschossen ward mancher starke Speer:
Wie ritterlich sich wehrten diese Recken kühn und hehr! (2195)
Dem Heergesinde Etzels war erregt der Mut,
Dass sie verdienen wollten Frau Kriemhildens Gut
Und alles willig leisten was der Fürst gebot:
Da musste mancher balde von ihnen schauen den Tod. (2196)
Man mochte von Verheißen und Gaben Wunder sagen.
Sie ließ ihr Gold, das rote, auf Schilden vor sie tragen:
Sie gab es jedem willig, der es wollt empfahn.
Nie wurden wider Feinde so große Schätze vertan. (2197)
Da traten in den Waffen viel Recken vor die Tür.
Da sprach der kühne Volker: “Wir sind noch immer hier:
So gerne sah ich Helden zum Streite nimmer kommen
Als die das Gold des Königs und zu verderben genommen.” (2198)
Was soll ich weiter sagen? Wohl zwölfhundert Degen
Versuchtens hin und wieder mit starken Schwertesschlägen.
Da kühlten mit den Wunden die Gäste wohl den Mut.
Kein Friede war zu hoffen, drum sah man fließen das Blut (2199)
Aus tiefen Todeswunden, deren wurden viel geschlagen.
Nach seinen Freunden hörte man jeglichen klagen;
Die Kühnen starben alle dem reichen König hehr:
Da hatten liebe Freunde nach ihnen Leid und Beschwer. (2200)