Blödels Recken standen gerüstet allzumal.
In tausend Halsbergen ereilten sie den Saal,
Wo Dankwart mit den Knechten an den Tischen saß:
Da hob sich unter Helden der allergrößeste Hass. (1983)
Als der Degen Blödel zu den Tischen ging,
Dankwart der Marschall mit Gruß ihn wohl empfing;
“Willkommen hier im Hause, mein Herre Blödelein;
Mich wundert euer Kommen: Sagt, was soll die Märe sein?” (1984)
“Heiß mich nicht willkommen,” sprach da Blödelein;
“Denn dieses mein Kommen, das soll dein Ende sein
Um Hagen deinen Bruder, der Siegfrieden schlug:
Das entgiltst du bei den Heunen und andre Degen genug.” (1985)
“Nicht doch, Degen Blödel,” sprach da Dankwart,
“So möchte bald uns reuen zu Hofe diese Fahrt.
Ich war ein Kind, als Siegfried Leben ließ und Leib:
Nicht weiß ich was mir wolle dem König Etzel sein Weib.” (1986)
“Ich weiß dir von der Märe weiter nichts zu sagen;
Es tatens deine Freunde, Gunther und Hagen.
Nun wehrt euch, ihr Armen, ihr könnt nicht länger leben;
Ihr müsst mit dem Tode ein Pfand hier Kriemhilden geben.” (1987)
“Lasst ihrs nicht unterbleiben,” sprach da Dankwart,
“So gereut mich meines Flehens: Hätt ich das gespart!”
Der schnelle kühne Degen von dem Tische sprang:
Er zog eine Waffe, die war gewaltig und lang. (1988)
Damit schlug er Blödeln einen schwinden Schwertesschlag,
Dass ihm das Haupt zur Stelle vor den Füßen lag.
“Das sei die Morgengabe,” sprach Dankwart der Degen,
“Zu Nudungens Witwe, der du mit Minne wolltest pflegen. (1989)
Vermähle man sie morgen einen andern Mann:
Will er den Lohn erwerben, wird ihm wie dir getan.”
Ein vielgetreuer Heune hatt ihm das gesagt,
Wie die Königstochter ihr großes Leid ihm geklagt. (1990)
Da sahen Blödels Leute, ihr Herr sei erschlagen;
Sie wollten von den Gästen das länger nicht ertragen:
MIt aufgehobnen Schwertern drang auf sie ein
Das Volk in grimmem Mute; das musste manchen gereun. (1991)
Laut rief da Dankwart sein Heergesinde an:
“Ihr seht wohl, edle Knechte, es ist um uns getan:
Nun wehrt euch, ihr Armen; fürwahr, das tut uns Not,
Damit ihr ohne Schanden erliegt in wehrlichem Tod.” (1992)
Die keine Schwerter hatten, die griffen nach der Bank,
Und hoben von den Füßen manchen Schemel lang;
Die Burgondenknechte wollten nichts ertragen:
Da ward mit schweren Stühlen gar manche Beute geschlagen. (1993)
Wie grimm die Heimatlosen sich wehrten in dem Strauß!
Sie trieben zu dem Hause die Gewaffneten hinaus:
Fünfhundert oder drüber erlagen drin den Tod.
Da war das Heergesinde vom Blute nass und auch rot. (1994)
Diese schlimme Botschaft drang in kurzer Zeit
Zu Königs Etzels Recken (ihnen war es grimmig leid),
Dass erschlagen liege Blödel und sein Bann:
Das hatte Hagens Bruder mit seinen Knechten getan. (1995)
Eh es der König hörte stand schon ein Heunenheer
In seinem Zorn gerüstet, zweitausend oder mehr:
Sie gingen zu den Knechten, wohl musst es also sein,
Und ließen des Gesindes nicht einen länger gedeihn. (1996)
Die Ungetreuen brachten vor das Haus ein mächtig Heer:
Die heimatlosen Knechte standen wohl zur Wehr.
Was half da Kraft und Kühnheit? Sie fanden doch den Tod.
Darauf nach kurzer Weile erhob sich schreckliche Not. (1997)
Nun mögt ihr Wunder hören von Ungeheuerm sagen:
Neuntausend Knechte, die lagen tot erschlagen,
Darüber zwölf Ritter in Dankwartens Lehn;
Man sah ihn ganz alleine unter seinen Feinden stehn. (1998)
Beschwichtigt war das Schallen, der Lärm war eingestellt,
Über die Achsel blickte Dankwart der Held:
Er sprach: “O weh der Freunde, die ich fallen sah!
Nun steh ich leider einsam unter meinen Feinden da.” (1999)
Die Schwerter fielen heftig auf des einen Leib:
Das musste bald beweinen manches Helden Weib.
Den Schild rückt' er höher, den Riemen ließ er nieder:
Da färbt' er viel Harnische mit fließendem Blute wieder. (2000)
“O weh mir dieses Leides!”, sprach Aldrianens Kind.
“Nun weicht, ihr Heunenrecken und lasst mich an den Wind,
Dass die Lüfte kühlen mich sturmmüden Mann.”
Da drang er auf die Türe unter Schlägen herrlich an. (2001)
Als der Streitmüde aus dem Hause sprang,
Wie manches Schwert von neuem auf seinem Helm erklang!
Die nicht gesehen hatten die Wunder seiner Hand,
Die sprangen da entgegen dem aus Burgondenland. (2002)
“Nun wollte Gott,” sprach Dankwart, “dass mir ein Bote käm,
Durch den mein Bruder Hagen diese Mär vernähm,
Dass ich vor diesen Recken steh in solcher Not.
Der hülfe mir von hinnen oder fände mit den Tod.” (2003)
Da sprachen die Heunen: “Der Bote musst du sein,
Wenn wir dich Toten tragen vor den Bruder dein:
Dann sieht sein erstes Herzeleid Gunthers Untertan.
Du hast den König Etzel hier großen Schaden getan.” (2004)
Er sprach: “Nun lasst das Drohen und weichet desto mehr.
Wohl mach ich hier noch manchem den Panzer nass und schwer
Ich will die Märe selber hin zu Hofe tragen,
Und will auch meinen Herren meinen großen Kummer klagen.” (2005)
Er machte sich so furchtbar dem Volk in Etzels Lehn,
Dass sie ihn mit Schwertern nicht wagten zu bestehn:
Sie schossen so viel Spieße in seinen Schildesrand,
Er musst ihn seiner Schwere wegen lassen aus der Hand. (2006)
Sie wähnten ihn zu zwingen, weil er den Schild nicht trug,
Hei, was er tiefer Wunden durch die Helme schlug!
Da musste vor ihm straucheln mancher kühne Mann,
Dass sich viel hohen Lobes der kühne Dankwart gewann. (2007)
Von beiden Seiten sprangen die Gegner auf ihn zu;
Wohl kamen ihrer manche in den Streit zu früh
Da ging er vor den Feinden her, wie ein Eberschwein
Im Walde tut vor Hunden: Wie mocht er wohl kühner sein? (2008)
Sein Weg ward immer wieder genässt mit heißem Blut:
Konnte je alleine ein Recke wohl so gut
Mit seinen Feinden streiten, als der Held getan?
Da schritt Hagens Bruder nach Hofe herrlich heran. (2009)
Die Truchsess und die Schenken vernahmen Schwerterklang:
Gar mancher die Getränke aus den Händen schwang,
Oder auch die Speisen, die man zu Hofe trug:
Da fand er vor der Stiege der starken Feinde genug. (2010)
“Wie nun, ihr Truchsesse?”, sprach der müde Degen,
“Nun solltet ihr die Gäste fleißiglich verpflegen,
Und solltet zu den Tischen die gute Speise tragen
Und ließet mich die Märe meinen lieben Herren sagen.” (2011)
Wer da den Mut gewonnen und vor die Stieg ihm sprang,
Deren schlug er manchen so schweren Schwertesschwang,
Dass ihm aus Schreck die andern ließen freie Bahn:
Da hatten seien Kräfte viel große Wunder getan. (2012)