Als die Gäste waren gefahren all davon,
Da sprach zu dem Gesinde König Siegmunds Sohn:
“Wir wollen auch uns rüsten zur Fahrt in unser Land.”
Lieb war es seinem Weibe, als das der Fraue ward bekannt. (711)
* Sie sprach zu ihrem Manne: “Wann sollen wir fahren?
So sehr dahin zu eilen will ich mich bewahren:
Erst sollen mit mir teilen meine Brüder dieses Land.”
Leid war es Siegfrieden, als ers an Kriemhilden fand. (712)
Die Fürsten zu ihm gingen und sprachen alle drei:
“Wisset, König Siegfried, dass euch immer sei
Unser Dienst mit Treue bereit bis in den Tod.”
Er neigte sich den Degen, da mans so gütlich ihm erbot. (713)
“Wir wolln auch mit euch teilen,” sprach Geiselher das Kind.
“Das Land und die Burgen, die unser eigen sind,
Und was der weiten Reiche uns ist untertan:
Ihr empfangt mit Kriemhild euer gutes Teil daran.” (714)
Der Sohn Siegmundens sprach zu den Fürsten da,
Als er der Herren Willen hörte und ersah:
“Gott lass euch euer Erde immer gesegnet sein;
Ich mag es wohl entraten mit der lieben Frauen mein. (715)
* “Sie bedarf nicht des Teiles, den ihr ihr wolltet geben:
Wo sie soll Krone tragen, werd ich es erleben,
Da muss sie reicher werden als wer auf Erden sei:
Was ihr sonst gebietet, ich steh euch immer dienstlich bei.” (716)
Da sprach Frau Kriemhilde: “Wenn ihr mein Land verschmäht
Um die Burgonden-Degen es so gering nicht steht:
Die mag ein König gerne führen in sein Land;
Wohl soll sie mit mir teilen meiner lieben Brüder Hand.” (717)
Da sprach Gernot der Degen: “Nimm die du willst mit dir:
Die gerne mit dir ritten, du findest viele hier.
Aus dreißig hundert Recken nimm dir tausend Mann
Zu deinem Hausgesinde.” Kriemhild zu senden begann (718)
Nach Hagen von Tronje und nach Ortewein,
Ob sie und ihre Freunde Kriemhildens wollen sein?
Darob gewann da Hagen ein zornigliches Leben:
Er sprach: “Uns kann Herr Gunther in der Welt an niemand vergeben.” (719)
“Ander Ingesinde nehmt zu eurer Fahrt:
Ihr werdet ja wohl kennen deren von Tronje Art.
Wir müssen bei den Königen am Hofe hier bestehn,
Und denen ferner dienen, deren Dienst mir stets versehn.” (720)
Sie ließen es bewenden und schickten sich hindann,
Ihr edel Ingesinde Kriemhild zu sich gewann,
Zweiunddreißig Mägdelein und fünfhundert Mann;
Eckewart der Markgraf zog mit Kriemhilden hindann. (721)
Da nahmen alle Urlaub, Ritter so wie Knecht,
Mägdelein und Frauen, so war es gut und recht.
Sie schieden unter Küssen voneinander unverwandt
Und jene räumten fröhlich dem König Gunther das Land. (722)
Die Freunde sie geleiteten fern auf ihren Wegen.
Man ließ allenthalben ihnen Nachtherberge legen
Wo sie die nehmen wollten in der Könge Land.
Da wurden bald auch Boten zu König Siegmund gesandt, (723)
Dass er wissen möge und auch Frau Siegelind,
Sein Sohn wolle kommen mit Frau Utens Kind,
Kriemhild der schönen, von Wormes über Rhein:
Diese Mären konnten ihnen nicht willkommner sein. (724)
“O wohl mir,” sprach da Siegmund, “dass ich den Tag soll sehn,
Dass die schöne Kriemhild hier soll gekrönet gehn!
Das steigert mir im Werte noch all das Erbe mein:
Mein Sohn Siegfried soll selber hier König sein.” (725)
Da gb ihnen Sieglind Kleider sametrot
Und schweres Gold und Silber, das war ihr Botenbrot.
Sie freute sich der Märe, die man ihr hergesandt;
Sie kleidet' ihr Gesinde mit allem Fleiß nach seinem Stand. (726)
Man sagte, wer da käme mit ihm in das Land.
Da ließ sie das Gestühle errichten gleich zur Hand,
Wo er vor seinen Freunden gekrönet sollte gehn.
Entgegen ritten ihnen die in König Siegmunde Lehn. (727)
Wer besser ward empfangen, mir ist es unbekannt,
Als die Helden wurden in Siegmundens Land.
Kriemhilden die schöne Sieglind entgegenritt;
Viel schöner Frauen und kühner Ritter zogen mit (728)
Wohl eine Tagesreise bis man die Gäste sah.
Die Heimischen und Fremden litten Beschwerde da,
Bis sie endlich kamen zu einer Veste weit,
Die war geheißen Santen, wo die Krone trugen nach der Zeit. (729)
Mit lachendem Munde Siegmund und Siegelind
Manche liebe Weile küssten sie Utens Kind
Und Siegfried den Degen; ihnen war ihr Leid benommen.
All ihr Ingesinde war ihnen höchlich willkommen. (730)
Man ließ die Gäste bringen vor König Siegmunds Saal.
Die schönen Jungfrauen hub man allzumal
Von den Mähren nieder: Da war mancher Mann,
Der den schönen Frauen mit Fleiß zu dienen begann. (731)
* So prächtig ihre Hochzeit am Rheine war bekannt,
Doch gab man hier den Helden besseres Gewand
Als sie jemals trugen in allen ihren Tagen.
Man mochte große Wunder von ihrem Reichtume sagen. (732)
In hoher Ehren Schimmer hatten sie genug,
Goldrote Kleider immer ihr Ingesinde trug:
Edel Gestein und Borten sah man gewirkt darin.
So verpflag sie fleißig Sieglind, die edle Königin. (733)
Da sprach von seinen Freunden der König Siegmund:
“Siegfried Verwandten tu ichs allen kund,
Er soll vor diesen Recken meine Krone tragen.”
Die Märe hörten gerne die von Niederlanden sagen. (734)
Er befahl ihm seine Krone mit Gericht und Land:
Da war er Herr und König. Wenn er den Rechtsspruch fand
Und wenn er richten sollte, das wurde so getan,
Dass man nicht wenig fürchtete der schönen Kriemhilde Mann. (735)
In diesen hohen Ehren lebt' er, das ist wahr,
Und richtet' unter Krone an das zehnte Jahr,
Bis die schöne Fraue ihm einen Sohn gebar,
Durch den des Königs Sippe gar höchlich erfreuet war. (736)
Man ließ ihn eilends taufen und einen Namen nehmen:
Gunther, nach seinem Oheim, des durft er sich nicht schämen.
Geriet er nach den Freunden, so musst ihm wohlergehn:
Er ward mit Fleiß erzogen; so sollt es billig geschehn. (737)
In denselben Zeiten starb Frau Siegelind:
Da nahm die volle Herrschaft der edeln Ute Kind,
Wie sie der reichen Frauen geziemte wohl im Land.
Es ward genug beweinet, dass der Tod sie hatt entwandt. (738)
Nun hatt auch dort am Rheine, wie wir hören sagen,
Dem reichen König Gunther einen Sohn getragen
Brunhild die schöne in Burgondenland.
Dem Helden zu Liebe ward er Siegfried genannt. (739)
* Mit welchen Sorgen immer man sein hüten hieß!
Gunther ihn, der edle, Hofmeistern ließ,
Die ihn wohl ziehen konnten zu einem biedern Mann.
Hei, was ihm bald das Unglück der Verwandten abgewann! (740)
Zu allen Zeiten Märe ward so viel gesagt,
Wie so lobenswürdig die Degen unverzagt
Zu allen Stunden lebten in Siegmundens Land:
So lebt' auch König Gunther mit seinen Freunden auserkannt. (741)
Das Land der Niebelungen war Siegfried untertan
(Keiner seiner Freunde je größer Gut gewann),
Desgleichen Schilbungs Recken und beider Land und Gut:
Drum stand dem kühnen Siegfried desto höher der Mut. (742)
Hort den allermeisten, den je ein Held gewann,
Nach den ersten Herren, besaß der kühne Mann,
Den vor einem Berge seine Hand erwarb im Streit:
Er schlug darum zu Tode manchen Ritter allbereit. (743)
Vollauf besaß er Ehre, und hätt ers halb entbehrt,
Doch müsste man gestehen dem edeln Recken wert,
Dass er der Beste wäre, der je auf Rossen saß.
Man fürchtete seine Stärke, mit allem Grund tat man das. (744)