Man sah der Helden täglich reiten an den Rhein,
Die bei dem Hofgelage gerne wollten sein.
Die Gunthern zu Liebe kamen in das Land,
Deren bot man Etlichen so Rosse wie auch Gewand. (269)
Da waren auch die Sitze allen schon erhöht,
Den Höchsten und den Besten, wie die Sage geht,
Zweiunddreißig Fürsten bei dem Hofgelag:
Da zierten alle Frauen sich um die Wette für den Tag. (270)
Da zeigte sich geschäftig der junge Geiselher.
Die Heimischen und Fremden mit gütlicher Gebehr
Empfing er sie mit Gernot und beider Fürsten Bann:
Wohl grüßten sie die Degen, wie es nach Ehren ward getan. (271)
Viel goldroter Sättel führten sie ins Land;
Zierliche Schilde und herrlich Gewand
Brachten sie zum Rheine bei dem Hofgelag:
Mancher Ungesunde der Freude von neuem pflag. (272)
Die wund im Bette lagen und litten harte Not,
Die mussten nun vergessen wie bitter sei der Tod;
Die Siechen und die Kranken vergaß man zu beklagen:
Es freute sich ein jeder entgegen festlichen Tagen. (273)
Wie sie da leben wollten im gastlichen Genuss!
Wonnen ohne Maßen, Freuden im Überfluss
Hatten alle Leute, so viel man immer fand:
Da hob sich große Freude über Gunthers ganzes Land. (274)
An einem Pfingsttage sah man des Morgens ziehn
Wonniglich gekleidet gar manchen Ritter kühn,
Fünftausend oder drüber, dem Hofgelag entgegen;
Da hub um die Wette viel Kurzweil sich allerwegen. (275)
Der Wirt, der hatt im Sinne, was er schon längst erkannt,
Wie so aus ganzer Seele der Held von Niederland
Seine Schwester liebe, ob er sie nie gesehn,
Der man den Preis erteilte vor allen Jungfrauen schön. (276)
* Er sprach: “Nun ratet alle, Freund oder Untertan,
Wie wir das Hofgelage am besten ordnen an,
Dass man uns nicht drum schelten möge nach der Zeit;
Es liegt doch an den Werken zuletzt das Lob, das man uns beut.” (277)
Da sprach zu dem Könige der Degen Ortwein:
“Wollt ihr mit vollen Ehren bei dem Hofgelage sein,
So lasst die lieben Kinder vor euern Gästen sehn,
Denen so viel Ehren bei den Burgonden geschehn. (278)
“Was wäre Mannes Wonne, was sollt er gerne schaun,
Wenn nicht schöne Mägdlein und herrliche Fraun?
Drum lasst eure Schwester zu den Gästen gehn.”
Der Rat war manchem Helden zu großer Freude geschehn. (279)
“Dem will ich gerne folgen,” der König sprach da so.
Alle die es hörten waren darüber froh.
Er entbots Frau Utens Tochter wohlgetan,
Dass sie mit ihren Mägdelein zu Hofe ginge hinan. (280)
Da ward aus den Schreinen gesuchet gut Gewand,
So viel man in der Lade des edeln Staates fand,
Von Borten und von Spangen: Des lag genug bereit.
Da zierte sich gar ritterlich manche waidliche Maid. (281)
Mancher junger Recke wünschte heut so sehr,
Dass er bei den Frauen gern gesehen wär,
Dass er dafür nicht nähme eines reichen König Land:
Sie sahen die da gerne, die ihnen waren bekannt. (282)
Da ließ der reiche König mit seiner Schwester gehn
Hundert seiner Recken, zu ihrem Dienst ersehn,
Mit ihr und seiner Mutter, die Schwerter in der Hand:
Das war das Hofgesinde in der Burgonden Land. (283)
Ute die reiche sah man mit ihr kommen,
Die hatte schöner Frauen sich zum Geleit genommen
Hundert oder drüber, geschmückt mit reichem Kleid;
Auch ihrer Tochter folgte manche waidliche Maid. (284)
Aus eines Zimmers Türe sah man sie alle gehn.
Da musste großes Drängen von Helden bald geschehn,
Die alle harrend standen, ob es möge sein,
Dass sie da fröhlich sähen dieses edle Mägdelein. (285)
Da kam die Minnigliche: So tritt das Morgenrot
Hervor aus trüben Wolken. Da schied von mancher Not
Der sie im Herzen hegte, was lange war geschehn.
Er sah die Minnigliche nun gar herrlich vor sich stehn. (286)
Von ihrem Kleide leuchtete mancher Edelstein,
Ihre rosenrote Farbe gab minniglichen Schein.
Was jemand wünschen mochte, er musste doch gestehn,
Dass er auf dieser Erde noch nichts so Schönes gesehn. (287)
Wie der lichte Vollmond vor den Sternen schwebt,
Des Schein so hell und lauter sich aus den Wolken hebt,
So glänzte sie in Wahrheit vor andern Frauen gut:
Das mochte wohl erheben hier manchem Helden den Mut. (288)
Die reichen Kämmerlinge schritten vor ihr her;
Die hochgemuten Degen ließen es nun nicht mehr:
Sie drängten, dass sie sähen die minnigliche Maid.
Siegfried dem Degen war es leib und wieder leid. (289)
Er sprach in seinem Sinne: “Wie dacht ich je daran,
Dass ich dich minnen sollte? Das ist ein eitler Wahn;
Soll ich dich aber meiden so wär ich sanfter tot.”
Er ward von Gedanken oft bleich und oft wieder rot. (290)
Da sah man den Sieglinden-Sohn so minniglich da stehn,
Als ob er wär entworfen auf einem Pergamen
Von guten Meisters Händen: Gern man ihm gestand,
Dass man nie im Leben so schönen Helden noch fand. (291)
Die mit der Fraue gingen, die hießen aus den Wegen
Jeden vor ihr weichen: dem folgte mancher Degen.
Sie freuten sich im Herzen die Wonnigen zu schaun:
Man sah in hohen Züchten viel der waidlichen Fraun. (292)
Da sprach von Burgonden der Herre Gernot:
“Dem Helden der so gütlich euch seine Dienste bot,
Gunther, lieber Bruder, dem bietet hier den Lohn
Vor allen diesen Recken: Des Rates spricht mir niemand Hohn. (293)
“Heißet Siegfrieden zu meiner Schwester kommen,
Dass ihn das Mägdlein grüße: Das bringt uns immer Frommen:
Die niemals Recken grüßte, soll sein mit Grüßen pflegen,
Dass wir uns so gewinnen diesen zierlichen Degen.” (294)
Des Wirtes Freunde gingen, wo man den Helden fand;
Sie sprachen zu dem Recken aus dem Niederland;
“Der König hat erlaubet, ihr sollt zu Hofe gehn,
Seine Schwester soll euch grüßen, die Ehre soll euch geschehn.” (295)
Der Held in seinem Mute war da hoch erfreut,
Er trug in seinem Herzen Liebe sonder Leid,
Dass er der schönen Ute Tochter sollte sehn:
Minniglicher Weise sie grüßte Siegfrieden schön, (296)
Als sie den Hochgemuten vor sich stehen sah.
Da erglühte seine Farbe; die Schöne sagte da:
“Willkommen, Herr Siegfried, ein edler Ritter gut.
Da ward ihm von dem Gruße wohl erhöhet der Mut. (297)
Er neigte sich ihr minniglich, als er Dank ihr bot;
Da zwnag sie zueinander sehnender Minne Not;
Mit liebem Blick der Augen sahn einander an
Der Held und auch das Mägdelein; das ward verstohlen getan. (298)
Ward freundlich da geliebkos't ihre weiße Hand
In rechter Herzensminne, das ist mir nicht bekannt.
Doch kann ich auch nicht glauben, sie hättens nicht getan:
Zwei liebende Herzen täten unrecht daran. (299)
Zu des Sommers Zeiten und in des Maien Tagen
Durft er in seinem Herzen nimmer wieder tragen
So viel der hohen Wonne, als er da gewann,
Da sie ihm ging zur Seite, die der Held zu minnen sann. (300)
Da gedachte mancher Recke: “Hei! Wär mir so geschehn,
Dass ich ihr ging zur Seite, wie ich ihn gesehn,
Oder bei ihr läge! Das nähm ich gerne hin.”
Es diente nie ein Recke so gut einer Königin. (301)
Aus welchen Königs Landen ein Gast gekommen war,
Er nahm im ganzen Saale nur dieser beiden wahr.
Ihr ward erlaubt zu küssen den waidlichen Mann:
Ihm ward auf dieser Erde nie so Liebes getan. (302)
Von Dänemark der König begann und sprach sogleich:
“Des hohen Grußes willen liegt mancher krank und bleich,
Wie ich nun wohl gewahre, von Siegfriedens Hand:
Gott lass ihn nimmer wieder kommen in der Dänen Land.” (303)
Dass hieß man allenthalben weichen aus den Wegen
Der schönen Kriemhilde: manchen kühnen Degen
Sah man wohl gezogen mit ihr zur Kirche gehn.
Da ward von ihr geschieden dieser Degen ausersehn. (304)
Da ging sie zu dem Münster; ihr folgten viel der Fraun.
Da war so wohl gezieret die Königin zu schaun,
Dass da hoher Wünsche mancher ward verloren;
Sie war zur Augenweide manchem Recken auserkoren. (305)
Kaum erharrte Siegfried bis schloss der Messgesang;
Er mochte seinem Heile des immer sagen Dank,
Dass ihm die so hold war, die er im Herzen trug:
Auch war er der Schönen nach Verdienste hold genug. (306)
Als sie aus dem Münster nach der Messe trat,
Zu ihr zurück zu gehen man den Kühnen bat.
Da begann ihm erst zu danken die minnigliche Maid,
Dass er vor allen Recken so kühn gefochten im Streit. (307)
“Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried,” so sprach das edle Kind,
“Dass ihrs verdienen konntet, dass euch die Recken sind
So hold mit ganzer Treue, wie sie zumal gestehn.”
Da begann er Frau Kriemhilden minniglich anzusehn. (308)
“Stets will ich ihnen dienen,” sprach Siegfried der Degen,
“Und will mein Haupt zur Ruhe niemals niederlegen
Bis ihr Wunsch geschehen, hält mir das Leben an:
Das sei zu euerm Dienste, meine Frau Kriemhilde, getan.” (309)
Innerhalb zwölf Tagen, so oft es neu getagt,
Sah man bei dem Degen die wonnevolle Magd,
So sie zu Hofe durfte vor ihre Freunde gehn.
Der Dienst war dem Recken aus großer Liebe geschen. (310)
Freude und Wonne und hohen Jubelschall
Sah man alle Tage vor König Gunthers Saal,
Davor und darinnen, gar manchen kühnen Mann.
Ortwein und Hagen großer Wunder viel getan. (311)
Was man zu üben wünschte, des waren gleich bereit
In völliglichem Maße die Degen kühn im Streit.
Da machten vor den Gästen die Recken sich bekannt:
Davon so war gezieret König Gunthers ganzes Land. (312)
Die verwundet lagen wagten sich an den Wind:
sie wollten kurzweilen mit dem Ingesind,
Schirmen mit den Schilden und schießen mit dem Schaft:
Das halfen ihnen viele; sie hatten gar große Kraft. (313)
Bei dem Hofgelage ließ sie der Wirt verpflegen
Mit der besten Speise; es durfte sich nicht regen
Nur der kleinste Tadel, der Fürsten mag entstehn:
Man sah in jetzo freundlich hin zu seinen Gästen gehn. (314)
Er sprach: “Ihr guten Recken, bevor ihr reitet hin,
So nehmet meine Gabe: Also steht mein Sinn,
Ich will euch immer danken; verschmähet nicht mein Gut,
Es unter euch zu teilen, dazu hab ich festen Mut.” (315)
Die vom Dänenlande sprachen gleich zur Hand:
“Bevor wir wieder reiten heim in unser Land,
Gewährt uns steten Frieden, das tut uns Recken Not:
Uns sind von euren Degen viel der leiben Freunde tot.” (316)
Geheilt von seinen Wunden war Lüdegast in der Zeit,
Der Vogt der Sachsen mochte genesen wohl vom Streit.
Etliche Tote ließen sie im Land.
Da ging der König Gunter hin wo er Siegfrieden fand. (317)
Er sprach zu dem Recken: “Nun rate, wie ich tu:
Unsre Gäste wollen reiten morgen fruh;
Sie wünschen stete Sühne mit mir und meinem Bann:
Nun rate, Degen Siegfried, was dich dünke wohlgetan. (318)
Wes sich die Herrn getrösten, das will ich dir sagen:
Was fünfhundert Mähren an Golde mögen tragen,
Das bieten sie mir gerne für ihre Freiheit an.”
Da sprach aber Siegfried: “Ihr tätet übel daran. (319)
Ihr sollt sie ungehindert von hinnen lassen fahren;
Nur dass die edeln Recken fürder sich bewahren
Vor feindlichem Reiten her in euer Land,
Lasst euch zum Pfande geben der beiden Könige Hand.” (320)
“Dem Rate will ich folgen, sie ziehn damit hindann.”
Da ward es seinen Feinden beiden kundgetan,
Ihr Gold begehrte niemand, das sie geboten eh.
Daheim den lieben Freunden war nach den Heermüden weh. (321)
Viel Schilde Schatz beladen trug man da herbei:
Das teilt' er ungewogen seinen Freunden frei,
An fünfhundert Marken oder gar noch mehr;
Gernot riet es Gunthern, dieser Degen kühn und hehr. (322)
Da baten sie um Urlaub, sie wollten nun von dann.
Die Gäste gingen alle vor Kriemhild heran,
Und dahin auch wo Frau Ute saß, die Königin.
Es zogen nie mehr Degen so wohl beurlaubt dahin. (323)
Die Herbergen leerten sich, als sie von dannen ritten;
Doch verblieb im Lande mit herrlichen Sitten
Der König mit den Seinen und mancher edle Mann:
Die gingen alle Tage zu Kriemhilden heran. (324)
Da wollt auch Urlaub nehmen Siegfried der gute Held,
Verzweifelnd zu erwerben, worauf sein Sinn gestellt.
Der König hörte sagen, er wolle nun von dann:
Geiselher der junge ihn von der Reise gewann. (325)
“Wohin, edler Siegfried, wohin reitet ihr?
Höret meine Bitte, bleibt bei den Recken hier,
Bei Gunther dem Könige und bei seinem Lehn:
Hier sind viel schöne Frauen, die lässt man euch gerne sehn.” (326)
Da sprach der starke Siegfried: “So lasst die Rosse stehn.
Von hinnen wollt ich reiten, das lass ich mir vergehn;
Tragt auch hinweg die Schilde: wohl wollt ich in mein Land;
Davon hat mich Herr Geiselher wohl mit Ehren gewandt.” (327)
So blieb durch Freundes Liebe noch der kühne Held;
Auch wär ihm wohl nimmer irgend in der Welt
So wohl als hier geworden: daher es nun geschah,
Dass er alle Tage die schöne Kriemhilde sah. (328)
Ihrer hohen Schönheit willen der Degen da verblieb.
Mit mancher Kurzweile man nun die Zeit vertrieb;
Nur zwang ihn ihre Minne, die schuf ihm oftmals Not,
Darum hernach der Kühne lag zu großem Jammer tot. (329)