Книга: Im Westen nichts Neues / На Западном фронте без перемен. Книга для чтения на немецком языке
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Aufgaben zum Text

1. Warum ruiniert der Krieg in erster Linie junge Menschen?

2. Beweisen Sie, dass der Unteroffizier Himmelstoß der schärfste Schinder des Kasernenhofes war.

3. Sprechen Sie über die „Ausbildungszeit” der Freunde im Rekrutenlager. Worauf hat sie die Freunde vorbereitet?

4. Beschreiben Sie Franz’ Tod. Warum benimmt sich der Arzt so?

Texterläuterungen

Saul – erster König des Reichs Israel

Stoß, der – eine Menge von gleichen Dingen, die übereinander gelegt wurden

Schwärmer, der – jemand, der nicht realistisch denkt, sondern sehr schnell von etwas begeistert ist; Fantast

Liebhaberei, die – etwas, das jemand regelmäßig (nicht beruflich, sondern zu seinem Vergnügen) tut; Hobby

Schoppenhauer, Arthur – deutscher Philosoph

Wichsbürste, die – die Bürste, mit der man die Schuhcreme einreibt

Drill, der – strenge, harte (körperliche) Ausbildung

Plato – griechischer Philosoph

Goethe, Johann Wolfgang – deutscher Dichter und Schriftsteller

Schikane, die – eine Handlung (meist eines Vorgesetzten oder einer Behörde), durch die jemand unnötige Arbeit oder Schwierigkeiten bekommt

eine Nase für etwas haben – (gespr.) die Fähigkeit zu wissen, was man tun muss, um etwas Bestimmtes zu erreichen; Riecher, Gespür

Korporal, der – der niedrigste Unteroffiziersdienstgrad

friesische Fischer – Fischer, Bewohner der Inselkette längs der Nordseeküste

Bajonett, das – ein langes Messer, das auf den Lauf eines Gewehrs aufgesetzt wird

blindlings – ohne vorher nachzudenken (besonders weil man große Angst oder Wut spürt)

Radau, der – Lärm

Reck, das – ein Turngerät, das aus einer waagerechten Stange (in ca. 2,50 m Höhe) und Stützen für diese Stange besteht

Stichling, der – kleiner schuppenloser Fisch, der Vorderteil seiner Rückenflosse hat einzelne kräftige Stacheln

Abgang, der – der Tod eines Menschen

Erkennungsmarke, die – die Marke eines Soldaten, an der man ihn erkennt

Sold, der – das Geld, das ein Soldat für seinen Dienst bekommt

3

Wir bekommen Ersatz. Die Lücken werden ausgefüllt, und die Strohsäcke in den Baracken sind bald belegt. Zum Teil sind es alte Leute, aber auch fünfundzwanzig Mann junger Ersatz aus den Feldrekrutendepots werden uns überwiesen. Sie sind fast ein Jahr jünger als wir. Kropp stößt mich an: »Hast du die Kinder gesehen?«

Ich nicke. Wir werfen uns in die Brust, lassen uns auf dem Hof rasieren, stecken die Hände in die Hosentaschen, sehen uns die Rekruten an und fühlen uns als steinaltes Militär.

Katczinsky schließt sich uns an. Wir wandern durch die Pferdeställe und kommen zu den Ersatzleuten, die gerade Gasmasken und Kaffee empfangen. Kat fragt einen der jüngsten: »Habt wohl lange nichts Vernünftiges zu futtern gekriegt, was?«

Der verzieht das Gesicht. »Morgens Steckrübenbrot – mittags Steckrübengemüse, abends Steckrübenkoteletts und Steckrübensalat.«

Katczinsky pfeift fachmännisch. »Brot aus Steckrüben? Da habt ihr Glück gehabt, sie machen es auch schon aus Sägespänen*. Aber was meinst du zu weißen Bohnen, willst du einen Schlag haben?«

Der Junge wird rot. »Verkohlen brauchst du mich nicht.«

Katczinsky antwortet nichts als: »Nimm dein Kochgeschirr.«

Wir folgen neugierig. Er führt uns zu einer Tonne neben seinem Strohsack. Sie ist tatsächlich halb voll weißer Bohnen mit Rindfleisch. Katczinsky steht vor ihr wie ein General und sagt: »Auge auf, Finger lang! Das ist die Parole bei den Preußen.«

Wir sind überrascht. Ich frage: »Meine Fresse, Kat, wie kommst du denn dazu?«

»Die Tomate war froh, als ich ihr’s abnahm. Ich habe drei Stück Fallschirmseide dafür gegeben. Na, weiße Bohnen schmecken kalt doch tadellos.«

Er gibt gönnerhaft dem Jungen eine Portion auf und sagt: »Wenn du das nächstemal hier antrittst mit deinem Kochgeschirr, hast du in der linken Hand eine Zigarre oder einen Priem*. Verstanden?«

Dann wendet er sich zu uns. »Ihr kriegt natürlich so.«

* * *

Katczinsky ist nicht zu entbehren, weil er einen sechsten Sinn hat. Es gibt überall solche Leute, aber niemand sieht ihnen von vornherein an, dass es so ist. Jede Kompanie hat einen oder zwei davon. Katczinsky ist der gerissenste, den ich kenne. Von Beruf ist er, glaube ich, Schuster, aber das tut nichts zur Sache, er versteht jedes Handwerk. Es ist gut, mit ihm befreundet zu sein. Wir sind es, Kropp und ich, auch Haie Westhus gehört halb und halb dazu. Er ist allerdings schon mehr ausführendes Organ, denn er arbeitet unter dem Kommando Kats, wenn eine Sache geschmissen wird, zu der man Fäuste braucht. Dafür hat er dann seine Vorteile.

Wir kommen zum Beispiel nachts in einen völlig unbekannten Ort, ein trübseliges Nest, dem man gleich ansieht, dass es ausgepowert* ist bis auf die Mauern. Quartier ist eine kleine, dunkle Fabrik, die erst dazu eingerichtet worden ist. Es stehen Betten darin, vielmehr nur Bettstellen, ein paar Holzlatten, die mit Drahtgeflecht bespannt sind.

Drahtgeflecht ist hart. Eine Decke zum Unterlegen haben wir nicht, wir brauchen unsere zum Zudecken. Die Zeltbahn ist zu dünn.

Kat sieht sich die Sache an und sagt zu Haie Westhus: »Komm mal mit.« Sie gehen los, in den völlig unbekannten Ort hinein. Eine halbe Stunde später sind sie wieder da, die Arme hoch voll Stroh. Kat hat einen Pferdestall gefunden und damit das Stroh. Wir könnten jetzt warm schlafen, wenn wir nicht noch einen so entsetzlichen Kohldampf hätten.

Kropp fragt einen Artilleristen, der schon länger in der Gegend ist: »Gibt es hier irgendwo eine Kantine?«

Der lacht: »Hat sich was! Hier ist nichts zu holen. Keine Brotrinde holst du hier.«

»Sind denn keine Einwohner mehr da?«

Er spuckt aus. »Doch, ein paar. Aber die lungern selbst um jeden Küchenkessel herum und betteln.«

Das ist eine böse Sache. Dann müssen wir eben den Schmachtriemen* enger schnallen und bis morgen warten, wenn die Furage kommt.

Ich sehe jedoch, wie Kat seine Mütze aufsetzt, und frage: »Wo willst du hin, Kat?«

»Mal etwas die Lage spannen.« Er schlendert hinaus.

Der Artillerist grinst höhnisch. »Spann mal! Verheb dich nicht dabei.«

Enttäuscht legen wir uns hin und überlegen, ob wir die eisernen Portionen anknabbern sollen. Aber es ist uns zu riskant. So versuchen wir ein Auge voll Schlaf zu nehmen.

Kropp bricht eine Zigarette durch und gibt mir die Hälfte. Tjaden erzählt von seinem Nationalgericht, großen Bohnen mit Speck. Er verdammt die Zubereitung ohne Bohnenkraut. Vor allem aber soll man alles durcheinander kochen, um Gottes willen nicht die Kartoffeln, die Bohnen und den Speck getrennt. Jemand knurrte, dass er Tjaden zu Bohnenkraut verarbeiten würde, wenn er nicht sofort still wäre. Darauf wird es ruhig in dem großen Raum. Nur ein paar Kerzen flackern in den Flaschenhälsen, und ab und zu spuckt der Artillerist aus.

Wir duseln ein bisschen, als die Tür aufgeht und Kat erscheint. Ich glaube zu träumen: er hat zwei Brote unter dem Arm und in der Hand einen blutigen Sandsack mit Pferdefleisch.

Dem Artilleristen fällt die Pfeife aus dem Munde. Er betastet das Brot. »Tatsächlich, richtiges Brot, und noch warm.«

Kat redet nicht weiter darüber. Er hat eben Brot, das andere ist egal. Ich bin überzeugt, wenn man ihn in der Wüste aussetzte, würde er in einer Stunde ein Abendessen aus Datteln*, Braten und Wein zusammenfinden.

Er sagt kurz zu Haie: »Hack Holz.«

Dann holt er eine Bratpfanne unter seinem Rock hervor und zieht eine Handvoll Salz und sogar eine Scheibe Fett aus der Tasche; – er hat an alles gedacht. Haie macht auf dem Fußboden ein Feuer. Es prasselt durch die kahle Fabrikhalle. Wir klettern aus den Betten.

Der Artillerist schwankt. Er überlegt, ob er loben soll, damit vielleicht auch etwas für ihn abfällt. Aber Katczinsky sieht ihn gar nicht, so sehr ist er Luft für ihn*. Da zieht er fluchend ab.

Kat kennt die Art, Pferdefleisch weichzubraten. Es darf nicht gleich in die Pfanne, dann wird es hart. Vorher muss es in wenig Wasser vorgekocht werden. Wir hocken uns mit unsern Messern im Kreis und schlagen uns den Magen voll.

Das ist Kat. Wenn in einem Jahr in einer Gegend nur eine Stunde lang etwas Essbares aufzutreiben wäre, so würde er genau in dieser Stunde, wie von einer Erleuchtung getrieben, seine Mütze aufsetzen, hinausgehen, geradewegs wie nach einem Kompass darauf zu, und es finden.

Er findet alles; – wenn es kalt ist, kleine Ofen und Holz, Heu und Stroh, Tische, Stühle – vor allem aber Fressen. Es ist rätselhaft, man sollte glauben, er zaubere es aus der Luft. Seine Glanzleistung waren vier Dosen Hummer. Allerdings hätten wir lieber Schmalz dafür gehabt.

* * *

Wir haben uns auf der Sonnenseite der Baracken hingehauen. Es riecht nach Teer, Sommer und Schweißfüßen.

Kat sitzt neben mir, denn er unterhält sich gern. Wir haben heute mittag eine Stunde Ehrenbezeigungen geübt, weil Tjaden einen Major nachlässig gegrüßt hat. Das will Kat nicht aus dem Kopf. Er äußert: »Pass auf, wir verlieren den Krieg, weil wir zu gut grüßen können.«

Kropp storcht näher, barfuß, die Hosen aufgekrempelt. Er legt seine gewaschenen Socken zum Trocknen aufs Gras. Kat sieht in den Himmel, lässt einen kräftigen Laut hören und sagt versonnen dazu: »Jedes Böhnchen gibt ein Tönchen.«

Die beiden fangen an zu disputieren. Gleichzeitig wetten sie um eine Flasche Bier auf einen Fliegerkampf, der sich über uns abspielt.

Kat lässt sich nicht von seiner Meinung abbringen, die er als altes Frontschwein wieder in Reimen von sich gibt: »Gleiche Löhnung, gleiches Essen, war’ der Krieg schon längst vergessen.« —

Kropp dagegen ist ein Denker. Er schlägt vor, eine Kriegserklärung solle eine Art Volksfest werden mit Eintrittskarten und Musik wie bei Stiergefechten. Dann müssten in der Arena die Minister und Generäle der beiden Länder in Badehosen, mit Knüppeln bewaffnet, aufeinander losgehen. Wer übrigbliebe, dessen Land hätte gesiegt. Das wäre einfacher und besser als hier, wo die falschen Leute sich bekämpfen.

Der Vorschlag gefällt. Dann gleitet das Gespräch auf den Kasernendrill über.

Mir fällt dabei ein Bild ein. Glühender Mittag auf dem Kasernenhof. Die Hitze steht über dem Platz. Die Kasernen wirken wie ausgestorben. Alles schläft. Man hört nur Trommler üben, irgendwo haben sie sich aufgestellt und üben, ungeschickt, eintönig, stumpfsinnig. Welch ein Dreiklang: Mittagshitze, Kasernenhof und Trommelüben!

Die Fenster der Kaserne sind leer und dunkel. Aus einigen hängen trocknende Drillichhosen*. Man sieht sehnsüchtig hinüber. Die Stuben sind kühl. —

Oh, ihr dunklen, muffigen Korporalschaftsstuben mit den eisernen Bettgestellen, den gewürfelten Betten, den Spindschränken und den Schemeln davor! Selbst ihr könnt das Ziel von Wünschen werden; hier draußen seid ihr sogar ein sagenhafter Abglanz von Heimat, ihr Gelasse voll Dunst von abgestandenen Speisen, Schlaf, Rauch und Kleidern!

Katczinsky beschreibt sie mit Farbenpracht und großer Bewegung. Was würden wir geben, wenn wir zu ihnen zurück könnten! Denn weiter wagen sich unsre Gedanken schon gar nicht —

Ihr Instruktionsstunden in der Morgenfrühe – »Worin zerfällt das Gewehr 98?« – ihr Turnstunden am Nachmittag – »Klavierspieler vortreten. Rechts heraus. Meldet euch in der Küche zum Kartoffelschälen« —

Wir schwelgen in Erinnerungen. Kropp lacht plötzlich und sagt: »In Löhne umsteigen.«

Das war das liebste Spiel unseres Korporals. Löhne ist ein Umsteigebahnhof. Damit unsre Urlauber sich dort nicht verlaufen sollten, übte Himmelstoß das Umsteigen mit uns in der Kasernenstube. Wir sollten lernen, dass man in Löhne durch eine Unterführung zum Anschlusszug gelangte. Die Betten stellten die Unterführung dar, und jeder baute sich links davon auf. Dann kam das Kommando: »In Löhne umsteigen!«, und wie der Blitz kroch alles unter den Betten hindurch auf die andere Seite. Das haben wir stundenlang geübt. —

Inzwischen ist das deutsche Flugzeug abgeschossen worden. Wie ein Komet stürzt es in einer Rauchfahne abwärts. Kropp hat dadurch eine Flasche Bier verloren und zählt missmutig sein Geld.

»Der Himmelstoß ist als Briefträger sicher ein bescheidener Mann«, sagte ich, nachdem sich Alberts Ent-täuschung gelegt hat, »wie mag es nur kommen, dass er als Unteroffizier ein solcher Schinder ist?«

Die Frage macht Kropp wieder mobil. »Das ist nicht nur Himmelstoß allein, das sind sehr viele. Sowie sie Tressen* oder einen Säbel haben, werden sie andere Menschen, als ob sie Beton gefressen hätten.«

»Das macht die Uniform«, vermute ich.

»So ungefähr«, sagt Kat und setzt sich zu einer großen Rede zurecht, »aber der Grund liegt anderswo. Sieh mal, wenn du einen Hund zum Kartoffelfressen abrichtest und du legst ihm dann nachher ein Stück Fleisch hin, so wird er trotzdem danach schnappen, weil das in seiner Natur liegt. Und wenn du einem Menschen ein Stückchen Macht gibst, dann geht es ihm ebenso; er schnappt danach. Das kommt ganz von selber, denn der Mensch ist an und für sich zunächst einmal ein Biest, und dann erst ist vielleicht noch, wie bei einer Schmalzstulle, etwas Anständigkeit draufgeschmiert. Der Kommiss besteht nun darin, dass immer einer über den andern Macht hat. Das Schlimme ist nur, dass jeder viel zuviel Macht hat; ein Unteroffizier kann einen Gemeinen, ein Leutnant einen Unteroffizier, ein Hauptmann einen Leutnant derartig zwiebeln, dass er verrückt wird. Und weil er das weiß, deshalb gewöhnt er es sich gleich schon etwas an. Nimm nur die einfachste Sache: wir kommen vom Exerzierplatz und sind hundemüde. Da wird befohlen: Singen! Na, es wird ein schlapper Gesang, denn jeder ist froh, dass er sein Gewehr noch schleppen kann. Und schon macht die Kompanie kehrt und muss eine Stunde strafexerzieren. Beim Rückmarsch heißt es wieder: ‚Singen!’, und jetzt wird gesungen. Was hat das Ganze für einen Zweck? Der Kompanieführer hat seinen Kopf durchgesetzt, weil er die Macht dazu hat. Niemand wird ihn tadeln, im Gegenteil, er gilt als stramm. Dabei ist so etwas nur eine Kleinigkeit, es gibt doch noch ganz andere Sachen, womit sie einen schinden. Nun frage ich euch: Mag der Mann in Zivil sein, was er will, in welchem Beruf kann er sich so etwas leisten, ohne dass ihm die Schnauze* eingeschlagen wird? Das kann er nur beim Kommiss! Seht ihr, und das steigt jedem zu Kopf! Und es steigt ihm um so mehr zu Kopf, je weniger er als Zivilist zu sagen hatte.«

»Es heißt eben, Disziplin muss sein – «, meint Kropp nachlässig.

»Gründe«, knurrt Kat, »haben sie immer. Mag ja auch sein. Aber es darf keine Schikane werden. Und mach du das mal einem Schlosser oder Knecht oder Arbeiter klar, erkläre das mal einem Muskoten*, und das sind doch die meisten hier; der sieht nur, dass er geschunden wird und ins Feld kommt, und er weiß ganz genau, was notwendig ist und was nicht. Ich sage euch, dass der einfache Soldat hier vorn so aushält, das ist allerhand! Allerhand ist das!«

Jeder gibt es zu, denn jeder weiß, dass nur im Schützengraben der Drill aufhört, dass er aber wenige Kilometer hinter der Front schon wieder beginnt, und sei es mit dem größten Unsinn, mit Grüßen und Parademarsch. Denn es ist eisernes Gesetz: Der Soldat muss auf jeden Fall beschäftigt werden.

Doch nun erscheint Tjaden, mit roten Flecken im Gesicht. Er ist so aufgeregt, dass er stottert. Strahlend buchstabiert er: »Himmelstoß ist unterwegs nach hier. Er kommt an die Front.«

* * *

Tjaden hat eine Hauptwut auf Himmelstoß, weil der ihn im Barackenlager auf seine Weise erzogen hat. Tjaden ist Bettnässer*, nachts beim Schlafen passiert es ihm eben. Himmelstoß behauptet steif und fest, es sei nur Faulheit, und er fand ein seiner würdiges Mittel, um Tjaden zu heilen. Er trieb in der benachbarten Baracke einen zweiten Bettnässer auf, der Kindervater hieß. Den quartierte er mit Tjaden zusammen. In den Baracken standen die typischen Bettgestelle, zwei Betten übereinander, die Bettböden aus Draht. Himmelstoß legte beide nun so zusammen, dass der eine das obere, der andere das darunter befindliche Bett bekam. Der untere war dadurch natürlich scheußlich daran. Dafür wurde am nächsten Abend gewechselt, der untere kam nach oben, damit er Vergeltung* hatte. Das war Himmelstoß’ Selbsterziehung.

Der Einfall war gemein, aber in der Idee gut. Leider nutzte er nichts, weil die Voraussetzung nicht stimmte: es war keine Faulheit bei den beiden. Das konnte jeder merken, der ihre fahle Haut ansah. Die Sache endete damit, dass immer einer von beiden auf dem Fußboden schlief. Er hätte sich leicht dabei erkälten können. —

Haie hat sich inzwischen auch neben uns niedergelassen. Er blinzelt mir zu und reibt andächtig seine Tatze. Wir haben zusammen den schönsten Tag unseres Kommisslebens erlebt. Das war der Abend, bevor wir ins Feld fuhren. Wir waren einem der Regimenter mit der hohen Hausnummer zugeteilt, vorher aber zur Einkleidung in die Garnison zurückbefördert worden, allerdings nicht zum Rekrutendepot, sondern in eine andere Kaserne. Am nächsten Morgen früh sollten wir abfahren. Abends machten wir uns auf, um mit Himmelstoß abzurechnen. Das hatten wir uns seit Wochen geschworen. Kropp war sogar so weit gegangen, dass er sich vorgenommen hatte, im Frieden das Postfach einzuschlagen, um später, wenn Himmelstoß wieder Briefträger war, sein Vorgesetzter* zu werden. Er schwelgte in Bildern, wie er ihn schleifen würde. Denn das war es gerade, weshalb er uns nicht kleinkriegen konnte; wir rechneten stets damit, dass wir ihn schon einmal schnappen würden, spätestens am Kriegsende.

Einstweilen wollten wir ihn gründlich verhauen. Was konnte uns schon passieren, wenn er uns nicht erkannte und wir ohnehin morgen früh abfuhren.

Wir wussten, in welcher Kneipe er jeden Abend saß. Wenn er von dort zur Kaserne ging, musste er durch eine dunkle, unbebaute Straße. Dort lauerten wir ihm hinter einem Steinhaufen auf. Ich hatte einen Bettüberzug bei mir. Wir zitterten vor Erwartung, ob er auch allein sein würde. Endlich hörten wir seinen Schritt, den kannten wir genau, wir hatten ihn oft genug morgens gehört, wenn die Tür aufflog und »Aufstehen!« gebrüllt wurde.

»Allein?« flüsterte Kropp.

»Allein!« – Ich schlich mit Tjaden um den Steinhaufen herum.

Da blitzte schon sein Koppelschloss*. Himmelstoß schien etwas angeheitert zu sein; er sang. Ahnungslos ging er vorüber.

Wir fassten das Bettuch, machten einen leisen Satz, stülpten es ihm von hinten über den Kopf, rissen es nach unten, so dass er wie in einem weißen Sack dastand und die Arme nicht heben konnte. Das Singen erstarb.

Im nächsten Moment war Haie Westhus heran. Mit ausgebreiteten Armen warf er uns zurück, um nur ja der erste zu sein. Er stellte sich genussreich in Positur*, hob den Arm wie einen Signalmast, die Hand wie eine Kohlenschaufel und knallte einen Schlag auf den weißen Sack, der einen Ochsen hätte töten können.

Himmelstoß überschlug sich, landete fünf Meter weiter und fing an zu brüllen. Auch dafür hatten wir gesorgt, denn wir hatten ein Kissen bei uns. Haie hockte sich hin, legte das Kissen auf die Knie, packte Himmelstoß da, wo der Kopf war, und drückte ihn auf das Kissen. Sofort wurde er im Ton gedämpfter. Haie ließ ihn ab und zu mal Luft schnappen, dann kam aus dem Gurgeln ein prachtvoller heller Schrei, der gleich wieder zart wurde.

Tjaden knöpfte jetzt Himmelstoß die Hosenträger ab und zog ihm die Hose herunter. Die Klopfpeitsche hielt er dabei mit den Zähnen fest. Dann erhob er sich und begann sich zu bewegen.

Es war ein wunderbares Bild: Himmelstoß auf der Erde, über ihn gebeugt, seinen Kopf auf den Knien, Haie mit teuflisch grinsendem Gesicht und vor Lust offenem Maul, dann die zuckende, gestreifte Unterhose mit den X-Beinen, die in der heruntergeschobenen Hose bei jedem Schlag die originellsten Bewegungen machten, und darüber wie ein Holzhacker der unermüdliche Tjaden. Wir mussten ihn schließlich geradezu wegreißen, um auch noch an die Reihe zu kommen.

Endlich stellte Haie Himmelstoß wieder auf die Beine und gab als Schluss eine Privatvorstellung. Er schien Sterne pflücken zu wollen, so holte seine Rechte aus zu einer Backpfeife. Himmelstoß kippte um. Haie hob ihn wieder auf, stellte ihn sich parat und langte ihm ein zweites, erstklassig gezieltes Ding mit der linken Hand. Himmelstoß heulte und flüchtete auf allen vieren. Sein gestreifter Briefträgerhintern leuchtete im Mond.

Wir verschwanden im Galopp.

Haie sah sich noch einmal um und sagte ingrimmig, gesättigt und etwas rätselhaft: »Rache ist Blutwurst.« —

Eigentlich konnte Himmelstoß froh sein; denn sein Wort, dass immer einer den andern erziehen müsse, hatte an ihm selbst Früchte getragen. Wir waren gelehrige Schüler seiner Methoden geworden.

Er hat nie heraus gekriegt, wem er die Sache verdankte. Immerhin gewann er dabei ein Bettuch; denn als wir einige Stunden später noch einmal nachsahen, war es nicht mehr zu finden.

Dieser Abend war der Grund, dass wir am nächsten Morgen einigermaßen gefasst abfuhren. Ein wehender Vollbart bezeichnete uns deshalb ganz gerührt als Heldenjugend.

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